„Der Markt will günstiges Schweinefleisch“

Ja zu Tierschutz, aber mit fairen Preisen für die Bauern, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger.
Wien Die Welt hat sich in den vergangenen drei Jahren verändert: Epidemie, Ukraine-Krieg, Teuerung. Vor allem die Abhängigkeit von russischem Gas in Österreich war eklatant. Wie sieht es mit der Lebensmittelversorgung aus? Österreich ist gut abgesichert, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger. Er kritisiert jedoch im VN-Gespräch den Widerspruch zwischen hohen österreichischen Tierhaltungsstandards und importiertem Billigfleisch, berichtet über Energiesparen in der Landwirtschaft und die Probleme mit der Rückkehr des Wolfs in Vorarlberg.
Wurden Lehren aus der Abhängigkeit von Gas auch im Lebensmittelbereich gezogen? Oder sind wir schon recht autonom?
Moosbrugger: Bei Grundnahrungsmitteln wie Milch, Fleisch, Getreide haben wir eine sehr gute Versorgungssituation, über oder nahezu Selbstversorgung. Wir warnen aber immer davor, dass wir bei Lebensmitteln in die gleiche Ecke geraten, wie es uns bei Gas und Energie passiert ist, weil wir ständig dem Billigsten nachgelaufen sind.
Gute topographische Voraussetzungen wären gegeben.
In der Grünland- und Bergregion ist gerade Gras eine ganz wesentliche Futtergrundlage. Dort ist der Wiederkäuer eigentlich das einzige Tier, das in der Lage ist, aus Gras Milch und Fleisch zu produzieren. In den Alpenregionen sind wir daher eine der unabhängigsten Landwirtschaften, die es gibt. Wir können ohne Zukauf von zusätzlichem Futter Nahrungsmittel produzieren. Das sollen wir nicht nur schätzen, sondern auch in der Wertschöpfung massiv stärken. Das ist der beste Garant, um unabhängig zu sein.
Dabei hat die Kuh mittlerweile den Ruf des “Klimakillers”. Wird hier viel mit ausländischer Produktion, Stichwort Brasilien, vermischt?
Der Ruf ist schlechter als die Zahlen belegen. Gerade die Viehwirtschaft in Österreich kann belegen, dass sich die CO2-Bilanz verbessert hat. Sagen Sie mir andere Bereiche, wo das gelungen ist. Der Verkehr etwa steigert seine Emissionen laufend. Und außerdem werden von uns ja unverzichtbare Grundnahrungsmittel produziert.
Wie ist es gelungen, CO2 zu reduzieren?
Insbesondere durch eine höhere Effizienz, mit Modernisierung der Landwirtschaft. Zuchtfortschritt und hohe Futterqualität haben wesentlich dazu beigetragen.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine jährt sich das erste Mal. Die Lieferketten sind stark betroffen. Müssen sich die Menschen in Österreich Sorge machen, dass gewisse Lebensmittel knapp werden?
Nein, diese Sorge habe ich derzeit nicht. Was mir Sorge bereitet, ist die Energie, die in allen Bereichen ein massiver Kostentreiber ist. Wenn es um gestiegene Lebensmittelpreise geht, sind am aller wenigsten die Bauern schuld. Der Wertschöpfungsanteil ist bei ihnen nicht in der Form gestiegen, wie die Regalpreise gestiegen sind. Daher müssen wir wegkommen von der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Krisenregionen und stärker hinein in die Erneuerbaren aus der Region.
Wie wird der Kostendruck im Handel auf die Bäuerinnen und Bauern zurückgeworfen?
Der Druck im Handel ist massiv. Der Kampf unter den Handelsketten ist extrem. Die Eigenmarken haben eine extreme Umsatzentwicklung erlebt. Die regionalen Qualitätsprodukte und auch Bioprodukte stagnieren oder brechen sogar ein. Wir fordern daher eine klare Herkunftskennzeichnung.
Die Teuerung trifft nicht nur die Landwirte, sondern auch die Konsumenten. An welcher Stellschraube soll man drehen? Denn manche können sich die teureren Qualitätsprodukte nicht mehr leisten.
Ein Drittel der Lebensmittel landet im Müll. Das heißt, bewusster einkaufen und dafür das, was ich kaufe, regional und qualitativ. In der gesamten Wertschöpfungskette sind viele Arbeitsplätze. Eine wesentliche Zukunftsfrage ist meiner Meinung nach, wie wir es schaffen, diese Wertschöpfung in Österreich zu halten und nicht ins Ausland zu transferieren.
Die EU fordert eine Reduktion von Pestiziden. Wie nehmen Sie das Spannungsverhältnis zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft in Österreich wahr?
Es gibt massiven Widerspruch in den EU-Strategien. Man will die regionale Lebensmittelversorgung in Europa stärken. Aber gleichzeitig reden wir davon, Flächen gar nicht mehr zu nutzen und dass den Landwirten Werkzeuge wie Pflanzenschutz und Düngemittel aus den Händen genommen werden sollen. Das Motto bei Pflanzenschutz ist ohnehin “so wenig wie möglich, so viel wie notwendig”. Es ist ja auch ein Kostenfaktor. Aber bevor die Kultur am Acker verdirbt, wird der Bauer versuchen, mit Pflanzenschutz die Produktion zu retten. Wir haben in Österreich keine großdimensionierte, industrielle Landwirtschaft. Unsere Forderung an Brüssel ist, nicht alles über einen Kamm zu scheren, Strategien anzupassen. Die Auswirkungen des Kriegs müssen mitberücksichtigt werden. Sonst sind wir nicht auf der Höhe der Zeit.
Auf der Höhe der Zeit wäre es aber auch, Pestizide zu reduzieren. Insektensterben und damit verbundenes Singvögelsterben betrifft auch Österreich. Gibt es eine Kompromissmöglichkeit?
In vielen Bereichen, in der Fruchtfolge, im Bereich des Ackerbaus, mit neuen Technologien sind wir damit beschäftigt, mit einem noch effizienteren Pflanzenschutz das Auslangen zu finden. Aber Biodiversitätsverlust 1:1 dem Pflanzenschutz umzuhängen, ist meiner Meinung nach nicht richtig. Dort spielen Klimaveränderung und Bodenversiegelung eine ganz massive Rolle.
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Braucht es mehr Tierwohl in Österreichs Ställen? Auch Vorarlberg hatte mit dem Kälbertransport einen Skandal, der viele Menschen erschüttert hat.
Bei diesem Thema sind wir aus meiner Sicht mittlerweile gut aufgestellt. Was wir brauchen, sind einheitlichere Standards in Europa. Gerade im Markt und in der Gastronomie, bis hin zum Handel müssen wir die regionalen Produkte wieder stärker in die Regale und auf die Teller bringen. Denn das Dilemma in der Landwirtschaft ist, dass wir die Kälber dorther importieren, wo sie zu geringeren Haltungsstandards als bei uns wesentlich billiger gemästet wurden. Aber dann letztlich der günstigere Preis attraktiver ist, als das regionale Kalbfleisch. Das Problem ist somit nicht, was der Landwirt will, sondern wie der Markt tickt – Handel und Konsumenten.
Vergangenes Jahr wurde erreicht, das Vollspaltböden in der Schweinehaltung verschwinden sollen. Die lange Übergangsfrist bis 2039 sorgt jedoch für Kritik. Ist das noch zeitgemäß?
Man kann über viele Anforderungen in der Tierhaltung diskutieren. Aber das ist eine entscheidende Frage von Wettbewerb und Markt. Was nicht funktioniert, ist in Österreich die Anforderungen in die Höhe zu schrauben, aber dann das Günstige zu importieren, das so produziert wurde, wie wir es nicht wollen. Zur Zeit haben wir die Situation, dass wir ein höheres Angebot an Strohschweinen haben, als der Markt zum notwendigen Preis, den der Bauer braucht, abnimmt. Das heißt, der Bauer bleibt auf seinen Strohschweinen sitzen, weil der Markt ein günstiges Schweinefleisch will.
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Wie kann man dieses Dilemma auflösen? Denn Billigfleisch aus dem Ausland wird es weiter geben.
Ich bin für klare Rahmenbedingungen. Dann soll nur das ins Regal, was den Anforderungen entspricht, die wir in Österreich haben. Ansonsten vernichten wir die Produktion in Österreich, verlagern sie ins Ausland und dann sind wir irgendwann dort, wo wir jetzt mit der Energie stecken. Ja zu Tierschutz, aber mit den notwendigen Preisen, die der Bauer braucht. Es braucht auch Transparenz vom Handel, wie viel wirklich an Tierwohlprodukten verkauft wird.
Ein anderes Tierthema: Auch in Vorarlberg geht die Angst vor dem Wolf bei den Landwirten um. Werden sie dabei genug unterstützt?
Der Wolf ist in Europa nicht mehr gefährdet und eine massive Gefahr für die Alm- und Weidewirtschaft. Für mich ist das wolfsfreundliche Abstimmungsverhalten von Umweltministerin Gewessler in Brüssel unverständlich, weil sie meiner Meinung nach die Augen vor der Realität komplett verschließt. Mit dieser Raubtierromantik werden wir keine Zukunft für die Alm- und Weidewirtschaft finden und eines Naherholungraums, den viele Menschen nützen. Der hohe Schutzstatus des Wolfs in Europa muss reduziert werden, damit hier auch die Entnahme von Problemwölfen möglich ist.

Es gibt andererseits viele Angebote zum Schutz, die unterstützt werden: Schutzhunde, Zäune. Reicht das nicht?
In der Praxis ist das nicht wirklich umsetzbar. Bei kleinen Strukturen kann man mit Hütehunden eigentlich gar nicht arbeiten. In felsigem Gelände, das kaum zugänglich ist, sind Schutzzäune schwer anzubringen. Es zeigt sich gerade in der Schweiz, dass auch bei höchster Anwendung dieser Schutzmaßnahmen kein Status gegeben ist, damit Tiere von Rissen verschont werden können.
Wenn man Sie anruft, kann es passieren, dass man Sie in Ihrem Stall in Vorarlberg erwischt. Nach all den Themen, die wir besprochen haben, und man weiß auch um die steigende psychische Belastung unter Landwirten: Was würden Sie einem jungen Menschen sagen? Soll man sich noch auf die Landwirtschaft einlassen?
Ja. Ich möchte eigentlich Mut machen, gerade jungen Bäuerinnen und Bauern. Wir sind die Branche, die die Grundlage zum Leben zur Verfügung stellt. Für mich ist oft schwer zu beantworten, warum das, was wir zum Leben brauchen, immer zum billigsten Preis zur Verfügung stehen soll. Das ist die Zukunftsfrage schlechthin. Diese Frage hat die Landwirtschaft in den Händen. Wir werden gut daran tun, diese wertvollen Grundlagen für die Zukunft in der Region zu sichern.
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