Majestätsbeleidigung
Alexander Van der Bellen stand vor einer schwierigen Entscheidung. Das ist bei einem Bundespräsidenten wohl öfters der Fall, aber diesmal ging es nicht um Weichenstellungen für die Republik, sondern um das eigene Amt in einer ganz besonderen persönlichen Konstellation. Konkret musste Van der Bellen ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Ried beantworten, ob sie Ermittlungen gegen Herbert Kickl weiterverfolgen oder einstellen soll.
Die Vorgeschichte ist weitgehend bekannt. Der FP-Chef hat das Staatsoberhaupt bei seiner Aschermittwochrede als „Mumie“ und „senil“ bezeichnet. Kickl hat dabei nicht bedacht, dass eine derartige Majestätsbeleidigung immer noch durch das Strafrecht geahndet werden kann. Die Behörden sind dazu von Amts wegen verpflichtet, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Anwesende Beamte des Verfassungsschutzes und der Terrorismusbekämpfung (BVT) haben vor Ort zugehört und den Wortlaut der Staatsanwaltschaft übermittelt.
„Der Bundespräsident hat mit seiner Entscheidung klar gemacht, dass es nicht um seine persönliche Befindlichkeit geht.“
Der Bundespräsident selbst hätte Kickls Worte in der Turnhalle wohl lieber ignoriert bzw. sportlich genommen. Derart wenig schmeichelhafte Bezeichnungen prallen inzwischen an Spitzenpolitikern ab, denn ohne dicke Haut ist eine politische Karriere ohnehin nicht möglich. Doch nach dem Aktivwerden jener Behörde, in deren Vorgängerin ausgerechnet während der Amtszeit eines Innenministers Kickl eine umstrittene Hausdurchsuchung stattfand, lässt sich der Vorfall nicht als übliche Episode von schlechtem politischen Stil abtun.
Eine persönliche Vorgeschichte hat Kickl nicht nur mit dem BVT, sondern auch mit Van der Bellen. In den Augen des heutigen Oppositionspolitikers war der Bundespräsident bereitwilliger Erfüllungsgehilfe bei seinem Rauswurf aus der türkis-blauen Koalition. Dass Van der Bellen nach seiner Wiederwahl zum Ausdruck gebracht hat, Kickl trotz eines Wahlsieges nicht als Bundeskanzler anzugeloben, hat das Verhältnis weiter belastet.
Nun hat der Bundespräsident mit seiner Ablehnung einer Strafverfolgung Kickls klar gemacht, dass es nicht um seine persönliche Befindlichkeit geht. Van der Bellen trägt aber neben der Verantwortung für seine eigene Reputation, auch jene seines Amtes. Ist es also prinzipiell klug, wenn in Zukunft das Staatsoberhaupt ungestraft in der Öffentlichkeit verunglimpft werden darf? Es gibt wohl gute Gründe, dass ähnliche Verbote dies in vielen Staaten verhindern.
Mit der Zustimmung jedoch hätte Van der Bellen riskiert, dass sich Kickl als Märtyrer der Redefreiheit darstellt. Nach dem Motto: Wer es wagt, dem „linken Mainstream“ etwas entgegenzusetzen, wird in diesem Staat bestraft. Das wäre bester Zündstoff für die Skepsis seiner Anhänger gegenüber „denen da oben“. Um dieser Spaltung nicht weiter Vorschub zu leisten, hat Van der Bellen kurzfristig zurückgesteckt. Mittelfristig sollte er dennoch auf einen respektvolleren Umgang bestehen.
Kathrin Stainer-Hämmerle
kathrin.stainer-haemmerle@vn.at
FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.
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