
85 Jahre “Anschluss”: Wo sich in Vorarlberg noch faschistische Symbole zeigen
Mit dem “Anschluss” an Nazi-Deutschland wurde in Österreich eine bereits bestehende Diktatur abgelöst. Deren Symbole sind bis heute weit sichtbar präsent.
Bregenz Vor 85 Jahren setzte das nationalsozialistische Deutsche Reich die Wehrmacht in Bewegung, um Österreich „heim ins Reich“ zu holen, nachdem die heimischen Nazis in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 die Macht übernahmen. Der Beginn der Nazi-Diktatur in Österreich beendete eine andere Diktatur, deren Symbole bis heute in Vorarlberg gut sichtbar sind.

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Denn seit der Ausschaltung des Parlaments 1933 und der Schaffung der Maiverfassung 1934 wandelten zuerst Engelbert Dollfuß und dann Kurt Schuschnigg die erste Republik zum Bundesstaat Österreich um. Bei der Symbolik orientierte sich die katholisch geprägte Diktatur bei den faschistischen Nachbarn: Das Symbol der Partei, der Vaterländischen Front, war das Kruckenkreuz, gerade Dollfuß zeigte sich gern in der Uniform der Kaiserjäger. Der Wappenadler wurde wieder wie zu Habsburgerzeiten doppelköpfig, mit Heiligenschein statt gekrönten Häuptern. Und im Gegensatz zu den Symbolen des Nationalsozialismus überdauerten die Zeichen des Austrofaschismus.


In Vorarlberg ist das damalige Staatswappen sowohl in der offiziellen wie auch in der heimlichen Landeshauptstadt zu sehen: So schmückt der nimbierte doppelköpfige Adler sowohl die HTLVA Bregenz wie auch das Rathaus Feldkirchs. Beide Gebäude entstanden oder wurden Mitte der 1930er-Jahre umgebaut. Die Wandgestaltungen, weit außer der physischen Reichweite möglicher Vandalenakte der rückkehrenden Illegalen, überdauerten bis heute.

In Fachkreisen wird immer noch debattiert, ob das System Dollfuß als Austrofaschismus, Klerikalfaschismus oder “nur” als Kanzlerdiktatur zu verstehen ist. “Ich halte es für problematisch und verharmlosend, von einer Kanzlerdiktatur zu sprechen”, betont Historiker und Grünen-Nationalrat a.D. Harald Walser gegenüber den VN. “Es war eindeutig ein Faschismus, zumal einige Vertreter des Regimes den Begriff selbst verwendet haben und sich Dollfuß stark an Mussolini orientierte.” Er erfüllt auch die Merkmale: Das Zerschlagen einer organisierten Arbeiterschaft in Gewerkschaften und Parteien – inklusive Bürgerkrieg – und der Versuch, die gesamte Gesellschaft in eigenen Organisation zu organisieren.

Doch wie konnten die Zeichen eines faschistischen Regimes so lange überdauern? Eine Aufarbeitung des Ständestaats war direkt nach dem Zweiten Weltkrieg nicht erwünscht. Dies galt sowohl auf der Bundes- wie auf der Landesebene. Als Bundeskanzler Julius Raab meinte, Vorarlberg sei keine Demokratie, sondern eine Demokratur, hat das den damaligen Landeshauptmann Ulrich Ilg nach eigenem Bekunden mehr erfreut als befremdet. Der Fokus der Demokratie auf Debatte und Mehrparteiensystem widersprach dem Ideal einer harmonischen, konfliktfreien Staatsgemeinschaft. Doch auch in den vergangenen Jahrzehnten unterblieb diese Aufarbeitung. Dies zeigt sich auch heute oft, wenn politische Debatten in den Medien oder Parteikommunikation als Streit ausgelegt werden. “Dabei lebt die Demokratie von der Auseinandersetzung und Diskussion”, warnt Walser. “Ein Kompromiss ist nicht gleich der Verlust der eigenen Identität.”

Nichtsdestotrotz sind die öffentlichen Symbole des Ständestaats nicht nur in Vorarlberg präsent. Sie werden jedoch verstärkt wahrgenommen: Die Bundesimmobiliengesellschaft, die etwa die Bundesschulen verwaltet, arbeitet an einem Forschungsprojekt zu “problematischen Nutzungen” ihrer Objekte von 1934 bis 45. Eine Übersicht, auf wie vielen Gebäuden Zeichen des Ständestaats sind, gibt es nicht. Das Interesse sei aber vorhanden. Auch Walser wäre mit einer Kontextualisierung zufrieden. “Ich bin kein Denkmalstürmer, aber es muss in irgendeiner Form auf den historischen Hintergrund hingewiesen werden”, betont der Historiker. “Das gilt natürlich nur für das Kruckenkreuz und nicht für Symbole des Nationalsozialismus.”

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