Schüler stellen Kerzen für die Ukraine her

VN / 11.03.2023 • 12:00 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Beim Kerzenprojekt an der Polytechnischen Schule arbeiteten alle mit. <span class="copyright">BI</span>
Beim Kerzenprojekt an der Polytechnischen Schule arbeiteten alle mit. BI

Kerzenprojekt für Menschen in der Ukraine an der Polytechnischen Schule in Thüringen.

Thüringen So manche gute Idee braucht für die Umsetzung engagierte Menschen, sonst kommt sie nicht zustande. Manchmal entsteht sogar eine Kettenreaktion an guten Ideen, wie es beim Kerzenprojekt in der Polytechnischen Schule in Thüringen der Fall war.

Anni Leimser und Beatrix Bitschnau ergänzten sich bei der Projektumsetzung hervorragend.
Anni Leimser und Beatrix Bitschnau ergänzten sich bei der Projektumsetzung hervorragend.

Anni Leimser, die lange Zeit Mathematik und Religion in Thüringen unterrichtet hatte, gestaltet schon lange gemeinsam mit Irene Haid das vorweihnachtliche Labyrinth bei der Schule. Für diesen stimmungsvollen Einklang in der Weihnachtszeit sind viele Kerzen für die Gestaltung vonnöten. „Ein Nachbar ist auf mich zugekommen und hat mich wegen Kerzenresten angefragt. Er kenne eine Frau, Olah Eberharter, die aus der Ukraine stammt und in Bürs verheiratet ist, und die neben vielen anderen dringend benötigten Produkten Kerzenstumpen für ihre ehemalige Heimat sammelt. Ich hatte dann die Idee, bei Beatrix nachzufragen, da sie schon früher viele Projekte mit Kerzen gemacht hatte“, erzählt Anni Leimser.

Kerzenreste werden eingeschmolzen und aus ihnen neue Kerzen oder Dosenkerzen geformt, die dann in die Ukraine transportiert werden.
Kerzenreste werden eingeschmolzen und aus ihnen neue Kerzen oder Dosenkerzen geformt, die dann in die Ukraine transportiert werden.

Beatrix Bitschnau unterrichtet an der Polytechnischen Schule Kreatives Gestalten und Textiles Werken – und das mit viel Engagement und Überzeugung, wie dies während des Unterrichts zu sehen war. Die Jugendlichen kamen pünktlich und starteten sogleich mit dem Gießen von Kerzen und Dosenfeuern. Jeder wusste, was zu tun ist und war bei seiner Arbeitsaufgabe ganz fokussiert. Beatrix Bitschnau flitzte hin und her, gab bei Fragen fachkundige Anweisungen und arbeitete auch selber tatkräftig mit. Von der Sinnhaftigkeit dieses Projekts sind alle überzeugt. „Bei uns sind auch zwei Jugendliche in der Gruppe, die aus der Ukraine geflüchtet sind, und deren Familien direkt vom Angriffskrieg der russischen Armee betroffen sind. Es sind schwere Schicksale, die dahinterstecken“, bemerkte die Pädagogin betroffen.

Viele Pringles-Dosen wurden zu Kerzen umfunktioniert.
Viele Pringles-Dosen wurden zu Kerzen umfunktioniert.

Direkte Auseinandersetzung

Durch dieses gemeinsame Projekt, das Anfang dieses Jahres in die Umsetzung ging, sei eine gänzlich andere Auseinandersetzung mit der Thematik Krieg, Flucht, Gewalt und Not unter den Schülern entstanden. Slava Yanchuk, der aus Radomysch in der Ukraine stammt, und nun bei einer Tante in Bludesch-Gais lebt, legte auf recht lebhafte Weise die Geschehnisse in seinem Heimatland dar: „Mein Bruder ist dort Soldat. Er hat mir gesagt, er erzähle mir nichts mehr davon, was er genau mache, denn sonst habe ich keine Kindheit mehr. Ich muss sehr oft an meine Familie denken, bin aber glücklich, hier zu sein.“

"Ich komme aus der Ukraine. Meine Familie ist immer noch dort. Das Projekt finde ich sehr gut, denn mein Bruder, der Soldat ist, erzählt mir immer, wie kalt es nun dort ist." Slava Yanchuk, 15 Jahre, Bludesch-Gais
"Ich komme aus der Ukraine. Meine Familie ist immer noch dort. Das Projekt finde ich sehr gut, denn mein Bruder, der Soldat ist, erzählt mir immer, wie kalt es nun dort ist." Slava Yanchuk, 15 Jahre, Bludesch-Gais

Beatrix Bitschnau ist es wichtig, soziale Aspekte in ihren Unterricht einzubinden und ihren Schülern ein Verständnis für Menschen, die nicht so privilegiert leben können oder unter anderen Schwierigkeiten leiden, nahezubringen. Dabei hat sie nichts Belehrendes an sich, vielmehr bietet sie praktische Anreize für die Auseinandersetzung mit diesen Themen wie etwa einen Besuch im Sozialzentrum IAP Ludesch vor Weihnachten und nun das Kerzenprojekt, welches eine Herzensangelegenheit von ihr ist. „Angesichts der Betroffenheit über die Zustände in der Ukraine gibt es den Schülern das Gefühl, etwas Sinnvolles tun zu können“, so Beatrix Bitschnau.

"Für mich ist es das erste Mal, dass ich Kerzen selber mache. Es macht mir Spaß. Und natürlich freut es mich ganz besonders, dass dies für einen guten Zweck geschieht." Hannes Asam, 14 Jahre, Raggal
"Für mich ist es das erste Mal, dass ich Kerzen selber mache. Es macht mir Spaß. Und natürlich freut es mich ganz besonders, dass dies für einen guten Zweck geschieht." Hannes Asam, 14 Jahre, Raggal

Licht und Wärme spenden

Als Anni Leimser für ein Kerzenprojekt bei ihr nachgefragt hatte, sagte Beatrix Bitschnau sofort zu. Sie machte sich im Internet auf die Suche nach Gestaltungsmöglichkeiten von Kerzen. Dabei stieß sie auf einer Seite für Überlebenstipps auf die sogenannten Dosenkerzen, die einerseits Licht, aber auch Wärme geben. Hierfür wurden die von Anni Leimser zur Verfügung gestellten Kerzen zuerst eingeschmolzen. „Als Lehrerin für Kreatives Gestalten und Textiles Werken bin ich als Sammlerin natürlich prädestiniert. So habe ich seit dem Jahr 2006 Pringles-Dosen gesammelt, die nun endlich zum Einsatz kommen. Diese Dosen bilden somit eine billige Formgebung“, meinte Beatrix Bitschnau.

"Mir tun die Menschen in der Ukraine sehr leid. Ich finde deshalb auch diese Aktion sehr toll. So bekommen wir das Gefühl, zumindest etwas für diese Menschen bewirken zu können." Christian Rath, 15 Jahre, Bludesch
"Mir tun die Menschen in der Ukraine sehr leid. Ich finde deshalb auch diese Aktion sehr toll. So bekommen wir das Gefühl, zumindest etwas für diese Menschen bewirken zu können." Christian Rath, 15 Jahre, Bludesch
"Es ist ein super Projekt! Ich bin froh darüber, den Menschen in der Ukraine helfen zu können. Mit unseren Dosenfeuern aus Kerzenresten können sie sich am Feuer wärmen." Elias Konzett, 15 Jahre, Thüringen
"Es ist ein super Projekt! Ich bin froh darüber, den Menschen in der Ukraine helfen zu können. Mit unseren Dosenfeuern aus Kerzenresten können sie sich am Feuer wärmen." Elias Konzett, 15 Jahre, Thüringen

„Natürlich ist es am sinnvollsten, Geld zu spenden und die benötigten Sachen direkt vor Ort zu kaufen. Aber diese Kerzen sollen auch eine Botschaft vermitteln. Im Deutschunterricht wurden ergänzend dazu Briefe geschrieben, in denen sich die Jugendlichen vorstellten und den Menschen in der Ukraine alles Gute wünschen“, führte Anni Leimser weiter aus. Noch am Montagabend übergab Beatrix Bitschnau die Kerzenpakete an Olah Eberharter, die auch den Transport der benötigten Güter selber organisiert. Diese werden sodann durch ihre Mutter, die nach wie vor in der Ukraine lebt, vor Ort verteilt. „Ich bewundere die Tatkraft und Umsicht, mit welcher Olah und ihre Familie alles organisieren. Es ist schön zu wissen, dass alles, was gespendet wird, direkt ankommt“, beteuerte Beatrix Bitschnau. Schon zwei Tage später machten sich über hundert Kerzen und Dosenfeuer auf die Reise in die Ukraine, um den Menschen dort Licht und Wärme zu spenden. BI

Herstellung von Dosenfeuern
Herstellung von Dosenfeuern
Kerzenreste wurden zuerst eingeschmolzen …
Kerzenreste wurden zuerst eingeschmolzen …
… und dann verpackt.
… und dann verpackt.

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