Schüler stellen Kerzen für die Ukraine her

Kerzenprojekt für Menschen in der Ukraine an der Polytechnischen Schule in Thüringen.
Thüringen So manche gute Idee braucht für die Umsetzung engagierte Menschen, sonst kommt sie nicht zustande. Manchmal entsteht sogar eine Kettenreaktion an guten Ideen, wie es beim Kerzenprojekt in der Polytechnischen Schule in Thüringen der Fall war.

Anni Leimser, die lange Zeit Mathematik und Religion in Thüringen unterrichtet hatte, gestaltet schon lange gemeinsam mit Irene Haid das vorweihnachtliche Labyrinth bei der Schule. Für diesen stimmungsvollen Einklang in der Weihnachtszeit sind viele Kerzen für die Gestaltung vonnöten. „Ein Nachbar ist auf mich zugekommen und hat mich wegen Kerzenresten angefragt. Er kenne eine Frau, Olah Eberharter, die aus der Ukraine stammt und in Bürs verheiratet ist, und die neben vielen anderen dringend benötigten Produkten Kerzenstumpen für ihre ehemalige Heimat sammelt. Ich hatte dann die Idee, bei Beatrix nachzufragen, da sie schon früher viele Projekte mit Kerzen gemacht hatte“, erzählt Anni Leimser.

Beatrix Bitschnau unterrichtet an der Polytechnischen Schule Kreatives Gestalten und Textiles Werken – und das mit viel Engagement und Überzeugung, wie dies während des Unterrichts zu sehen war. Die Jugendlichen kamen pünktlich und starteten sogleich mit dem Gießen von Kerzen und Dosenfeuern. Jeder wusste, was zu tun ist und war bei seiner Arbeitsaufgabe ganz fokussiert. Beatrix Bitschnau flitzte hin und her, gab bei Fragen fachkundige Anweisungen und arbeitete auch selber tatkräftig mit. Von der Sinnhaftigkeit dieses Projekts sind alle überzeugt. „Bei uns sind auch zwei Jugendliche in der Gruppe, die aus der Ukraine geflüchtet sind, und deren Familien direkt vom Angriffskrieg der russischen Armee betroffen sind. Es sind schwere Schicksale, die dahinterstecken“, bemerkte die Pädagogin betroffen.


Direkte Auseinandersetzung
Durch dieses gemeinsame Projekt, das Anfang dieses Jahres in die Umsetzung ging, sei eine gänzlich andere Auseinandersetzung mit der Thematik Krieg, Flucht, Gewalt und Not unter den Schülern entstanden. Slava Yanchuk, der aus Radomysch in der Ukraine stammt, und nun bei einer Tante in Bludesch-Gais lebt, legte auf recht lebhafte Weise die Geschehnisse in seinem Heimatland dar: „Mein Bruder ist dort Soldat. Er hat mir gesagt, er erzähle mir nichts mehr davon, was er genau mache, denn sonst habe ich keine Kindheit mehr. Ich muss sehr oft an meine Familie denken, bin aber glücklich, hier zu sein.“

Beatrix Bitschnau ist es wichtig, soziale Aspekte in ihren Unterricht einzubinden und ihren Schülern ein Verständnis für Menschen, die nicht so privilegiert leben können oder unter anderen Schwierigkeiten leiden, nahezubringen. Dabei hat sie nichts Belehrendes an sich, vielmehr bietet sie praktische Anreize für die Auseinandersetzung mit diesen Themen wie etwa einen Besuch im Sozialzentrum IAP Ludesch vor Weihnachten und nun das Kerzenprojekt, welches eine Herzensangelegenheit von ihr ist. „Angesichts der Betroffenheit über die Zustände in der Ukraine gibt es den Schülern das Gefühl, etwas Sinnvolles tun zu können“, so Beatrix Bitschnau.

Licht und Wärme spenden
Als Anni Leimser für ein Kerzenprojekt bei ihr nachgefragt hatte, sagte Beatrix Bitschnau sofort zu. Sie machte sich im Internet auf die Suche nach Gestaltungsmöglichkeiten von Kerzen. Dabei stieß sie auf einer Seite für Überlebenstipps auf die sogenannten Dosenkerzen, die einerseits Licht, aber auch Wärme geben. Hierfür wurden die von Anni Leimser zur Verfügung gestellten Kerzen zuerst eingeschmolzen. „Als Lehrerin für Kreatives Gestalten und Textiles Werken bin ich als Sammlerin natürlich prädestiniert. So habe ich seit dem Jahr 2006 Pringles-Dosen gesammelt, die nun endlich zum Einsatz kommen. Diese Dosen bilden somit eine billige Formgebung“, meinte Beatrix Bitschnau.


„Natürlich ist es am sinnvollsten, Geld zu spenden und die benötigten Sachen direkt vor Ort zu kaufen. Aber diese Kerzen sollen auch eine Botschaft vermitteln. Im Deutschunterricht wurden ergänzend dazu Briefe geschrieben, in denen sich die Jugendlichen vorstellten und den Menschen in der Ukraine alles Gute wünschen“, führte Anni Leimser weiter aus. Noch am Montagabend übergab Beatrix Bitschnau die Kerzenpakete an Olah Eberharter, die auch den Transport der benötigten Güter selber organisiert. Diese werden sodann durch ihre Mutter, die nach wie vor in der Ukraine lebt, vor Ort verteilt. „Ich bewundere die Tatkraft und Umsicht, mit welcher Olah und ihre Familie alles organisieren. Es ist schön zu wissen, dass alles, was gespendet wird, direkt ankommt“, beteuerte Beatrix Bitschnau. Schon zwei Tage später machten sich über hundert Kerzen und Dosenfeuer auf die Reise in die Ukraine, um den Menschen dort Licht und Wärme zu spenden. BI



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