Sorge um Lebensqualität: Anrainer in Dornbirner Widmungsstreit bleiben kämpferisch

VN / 14.03.2023 • 13:30 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Sorge um Lebensqualität: Anrainer in Dornbirner Widmungsstreit bleiben kämpferisch
Anrainer wehren sich gegen die Pläne einer Betriebsansiedlung in Dornbirn-Wallenmahd. VN/Gasser

Sie fürchten um die Wohnqualität: Anrainer wehren sich gegen Ansiedlung eines Logistikunternehmens und üben scharfe Kritik am Dornbirner Rathaus.

Dornbirn Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Auf der einen Seite Anrainer, die durch die Ansiedlung eines Logistikunternehmens im Betriebsgebiet Wallenmahd um ihre Lebensqualität fürchten, auf der anderen Seite die Stadt Dornbirn. Sie würden nicht gehört, ihre Ängste ignoriert. Es herrsche in der Stadt längst eine Mentalität des “Drüberfahrens”, beklagen die Bewohner.

Auf diesen Flächen soll ein Logistikunternehmen seinen neuen Firmensitz haben. Das Grundstück ist nur durch einen 25-Meter breiten Grünstreifen vom Wohngebiet entfernt. Die Stadt habe zudem eine Abstandsnachsicht erteilt. <span class="copyright">VN/Sams</span>
Auf diesen Flächen soll ein Logistikunternehmen seinen neuen Firmensitz haben. Das Grundstück ist nur durch einen 25-Meter breiten Grünstreifen vom Wohngebiet entfernt. Die Stadt habe zudem eine Abstandsnachsicht erteilt. VN/Sams

Die Fronten sind verhärtet, Gesprächsbasis gibt es längst keine mehr. Kleinbeigeben werden sie dennoch nicht. “Wir Anrainer sind bereit, bis zum Letzten gegen das Projekt zu kämpfen”, sagt Josef Böhler. Seitens der Stadt heißt es wiederum, die Nachbarrechte würden im Rahmen der Verfahren berücksichtigt. Dabei bestehe die Möglichkeit, gegen die Bescheide Beschwerde einzulegen. Das haben die Anrainer auch getan. Der nächste Gerichtstermin findet noch diese Woche statt.

Josef Böhler kämpft seit 2018 gegen das geplante Projekt. Der nächste Gerichtstermin ist bereits diese Woche.<span class="copyright"> VN/Gasser</span>
Josef Böhler kämpft seit 2018 gegen das geplante Projekt. Der nächste Gerichtstermin ist bereits diese Woche. VN/Gasser

“Ich war gerne Dornbirner. Heute ist das Vertrauen in die Stadt bei null”, so Josef Böhler beim Lokalaugenschein der VN. 1984 hatte der heute 73-Jährige auf der grünen Wiese sein Eigenheim errichtet. Ein schickes Einfamilienhaus, viel Holz. Lange war alles gut. Josef Böhler steht auf der Terrasse seines Hauses. Irgendwann sei dann großzügig Industriegebiet gewidmet worden. “Hinter verschlossenen Türen. Erfahren haben wir immer erst dann etwas, wenn es schon entschieden war”, beklagt er.

Reinhard Bohle hat sich einer schmucken Wohnanlage den Alterssitz eingerichtet. Dafür hat er sein Haus verkauft. Jetzt befürchtet Bohle, dass ihm eine 12,7 Meter hohe Betonwand direkt vor die Nase gebaut wird.<span class="copyright"> VN/Gasser</span>
Reinhard Bohle hat sich einer schmucken Wohnanlage den Alterssitz eingerichtet. Dafür hat er sein Haus verkauft. Jetzt befürchtet Bohle, dass ihm eine 12,7 Meter hohe Betonwand direkt vor die Nase gebaut wird. VN/Gasser

Man habe sich mit der Situation arrangiert – auch mit den großen Industriebauten in Sichtweite, sagt Böhler. Das änderte sich schlagartig, als 2018 erstmals ruchbar wurde, dass ein Logistikunternehmen mit einem 24-Stunden-Betrieb, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr in unmittelbarer Nähe zum Wohngebiet angesiedelt werden sollte. Mit dem Bauantrag formierte sich Widerstand: anfangs eine Hand voll Nachbarn, mittlerweile eine Gruppe von über 40 Menschen. Sie alle eint die Sorge um die Lebensqualität.

Im Prospekt wurde die Wohnanlage "Freiraum Walchsmahd" mit unverbaubarem Ausblick auch in Zukunft angepriesen. <span class="copyright">VN/Gasser</span>
Im Prospekt wurde die Wohnanlage "Freiraum Walchsmahd" mit unverbaubarem Ausblick auch in Zukunft angepriesen. VN/Gasser

Reinhard Bohle (69) ist einer von ihnen. Auf dem Küchentisch liegt jene Broschüre, die ihn 2017 zum Kauf einer Wohnung im Walchsmahd motivierte. “Garantiert unverbaubarer Ausblick auch in der Zukunft”, heißt es darin. Jetzt soll als Auflage mit der Betriebsansiedlung eine 12,7 Meter hohe Mauer errichtet werden. “Wir könnten nicht mehr auf den Balkon, hätten eine Betonwand direkt vor der Nase.” Wie viele andere Bewohner auch, fühle er sich betrogen.

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Der Kampf der Anrainer gegen die Betriebsansiedlung geht schon Jahre. Ein Etappenerfolg im Sommer 2021 hatte die Bewohner hoffen lassen. Der Verfassungsgerichtshof kippte die ursprüngliche Betriebsgebietwidmung (BB-II). Ein Bauverfahren wurde dennoch weiterbetrieben. Die Stadt hatte schließlich die beantragte Baubewilligung im Dezember 2022 erteilt, die jetzt – angefochten von Nachbarn und Logistikunternehmen – beim Landesverwaltungsgerichtshof anhängig ist. Mittlerweile ist die Widmung repariert. Aus Betriebsgebiet BB-II wurde Betriebsgebiet BB-I mit mehr Rechten für die Anrainer.

Auf VN-Anfrage heißt es Seitens der Stadt, dass das geplante Projekt auch bei einer Widmung Betriebsgebiet BB-I unter Berücksichtigung der Nachbarrechte rechtens sei. <span class="copyright">VN/Gasser</span>
Auf VN-Anfrage heißt es Seitens der Stadt, dass das geplante Projekt auch bei einer Widmung Betriebsgebiet BB-I unter Berücksichtigung der Nachbarrechte rechtens sei. VN/Gasser

Aus Sicht der Stadtverwaltung ändert das allerdings nichts an der Umsetzung des Projektes, wie es auf VN-Anfrage dazu heißt. Insbesondere die lärmtechnische Begutachtung habe ergeben, dass das geplante Projekt auch bei der neuen Widmung unter Berücksichtigung der Nachbarrechte rechtens sei. So könnte die Errichtung eines Betriebsgebäudes mit Kühl- und Lagerhaus am geplanten Standort stattfinden. Die Bewilligung sähe rund 440 Lkw-Fahrten von Montag bis Samstag und 229 Lkw-Fahrten am Sonntag vor.

Anfangs hatte Josef Böhler mit einer Hand voll Nachbarn den Widerstand organisiert und finanziert. Mittlerweile kämpfen rund 40 Bewohner gegen die Betriebsansiedlung. <span class="copyright">VN/Gasser</span>
Anfangs hatte Josef Böhler mit einer Hand voll Nachbarn den Widerstand organisiert und finanziert. Mittlerweile kämpfen rund 40 Bewohner gegen die Betriebsansiedlung. VN/Gasser

Für den Erhalt ihrer Lebensqualität greifen die Anrainer selbst tief in die Taschen. Alleine die Anwaltskosten summieren sich bereits auf über 20.000 Euro. Bei der Ansiedlung eines Unternehmens mit “sanfter Betriebstätigkeit” hätten sie nie ein Problem gehabt, aber “wenigstens am Wochenende hätten wir gerne eine Ruhe”, sagt Reinhard Bohle. Den Instanzenweg werden sie jedenfalls weiter bestreiten. “Auch wenn das alles langsam an die Substanz geht”, wie Josef Böhler einräumt. Dass die Wohnqualität für immer verloren gehen könnte, verfolgt den Pensionist jedenfalls bis in den Schlaf.

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Die Anrainer organisieren sich. Sie wollen weiter gegen die Betriebsansiedlung kämpfen. <span class="copyright">VN/Gasser</span>
Die Anrainer organisieren sich. Sie wollen weiter gegen die Betriebsansiedlung kämpfen. VN/Gasser

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