Die politische Dimension der Integra-Pleite

Politik / 29.03.2023 • 16:09 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Die politische Dimension der Integra-Pleite
Die drohende Pleite der Integra schlägt in der Landespolitik Wellen. VN

Die Freiheitlichen verlangen Aufklärung, wie es so weit kommen konnte. Grundsätzlich betrifft die Pleite gleich zwei Landesräte.

von Matthias Rauch und Hanna Reiner

Wolfurt Die Integra steht vor dem Konkurs und wird diese Tage die Insolvenz anmelden, sollten sich die Eigentümer nicht für Eigenmittelnachschüsse entscheiden. Während die Arbeiterkammer der eine Haupteigentümer für Zuschüsse ist, sieht der Verein Dowas als zweiter Haupteigentümer keine Grundlage, die das erlauben würde. Die Integra beschäftigt etwa 550 Personen, vier Fünftel davon sind Langzeitarbeitslose.

Zwei Landesräte involviert

Grundsätzlich haben zwei Landesräte ein Interesse an der Zukunft der Integra: In erster Linie ist Landesrat Marco Tittler (ÖVP) für die Arbeitsmarktprojekte verantwortlich, indem die Integra auf dem sogenannten zweiten Arbeitsmarkt zur Requalifizierung von Langzeitarbeitslosen derzeit 300 Klienten betreut. In der zweiten Reihe steht Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne). Sie ist als Soziallandesrätin betroffen, über den Sozialfonds finanziert sie auch einen der Gesellschafter der Integra, den Verein Dowas. Sie musste diesem die Verwendung von Rücklagen zur möglichen Rettung der Integra erlauben.

Christoph Bitschis FPÖ will wissen, wie der Landesregierung die Schieflage der Integra entgehen konnte, sodass nun ein Konkurs droht. <span class="copyright">VN/PAulitsch</span>
Christoph Bitschis FPÖ will wissen, wie der Landesregierung die Schieflage der Integra entgehen konnte, sodass nun ein Konkurs droht. VN/PAulitsch

Von ihr wollen die Vorarlberger Freiheitlichen per Anfrage nun wissen, warum nicht früher die Schieflage bemerkt und gehandelt wurde. Schließlich kritisierte bereits 2019 der Landes-Rechnungshof bei einer Prüfung Mängel in der internen Kontrolle und Finanzgebarung der Integra. Damals war die Integra aufgrund der Beschäftigung eines früheren Millionenbetrügers im Fokus, große Schwächen wurden aufgedeckt.

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Schwieriges Umfeld

Grundsätzlich gilt, dass das Geschäftsumfeld für Betriebe im zweiten Arbeitsmarkt nicht unbedingt mit jenem im ersten, dem normalen Arbeitsmarkt vergleichbar ist. So arbeiten diese als soziale Betriebe grundsätzlich nicht gewinnorientiert, die Finanzierung geschieht oft über die öffentliche Hand. In Österreich ist dies über einjährige Verträge üblich, bei Arbeitsmarktprojekten laufen diese grundsätzlich über das AMS. Der Planungshorizont ist daher vergleichsweise begrenzt.

AMS-Landesgeschäftsführer Bernhard Bereuter würde die Integra missen.<span class="copyright"> ikp/Sams</span>
AMS-Landesgeschäftsführer Bernhard Bereuter würde die Integra missen. ikp/Sams

AMS-Landesgeschäftsführer Bernhard Bereuter hofft sehr darauf, dass Integra weitergeführt wird. “Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht ist es ein wichtiges Unternehmen, weil es langzeitbeschäftigungslosen Menschen eine Chance bietet.” Eine Schließung wäre dramatisch, sagt Bereuter. Denn dabei gehe es nicht nur um die Transitarbeitsplätze, sondern auch um die regulär beschäftigten Mitarbeiter. Einen Ersatz-Arbeitsplatz zu finden, sei nicht einfach. Zwar gebe es andere soziale Unternehmen, aber da könne man nicht von heute auf morgen umschichten. Auch wegen der großen Bandbreite vom hochqualifizierten Trainer bis zum Langzeitarbeitslosen.

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Für eine Weiterführung spreche jedenfalls, dass die Planbarkeit vorhanden sei. “Es gibt Verträge, es gibt Förderungen”, so Bereuter. Betriebe wie die Integra seien eine wichtige Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. “Dort werden Struktur, Stabilität und Praxiserfahrung vermittelt und genauso wird an der Persönlichkeitsentwicklung gearbeitet, um die Menschen insgesamt fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Das sind besondere Herausforderungen, die mehr darstellen als eine einfache Stellensuche.”

Landesrat hat keinen Einfluss

Tittler sieht sich bis zu einem gewissen Grad eher auf die Zuschauerränge verbannt. “Aus meiner Sicht wäre es insbesondere natürlich aus arbeitsmarkpolitischen Gründen begrüßenswert, wenn die Integra erhalten bliebe”, betont Tittler. “Ich erhoffe mir, dass die Gesellschafter hier einen gemeinsamen Weg finden. In erster Linie ist es aber natürlich eine Entscheidung der Eigentümer.”

Marco Tittler muss auf die Gesellschafter der Integra setzen.<span class="copyright"> VN/Stiplovsek</span>
Marco Tittler muss auf die Gesellschafter der Integra setzen. VN/Stiplovsek

Das Land ist bei den sozialen Unternehmen jedoch nur Kunde, diese nehmen vom Land Aufträge für die Umsetzung von Arbeitsmarktprojekten entgegen. Die Einflussmöglichkeiten des Landes – und auch der Einblick in das Geschäftsgebahren – sind genauso gering wie bei jedem anderen Unternehmen, lässt man im Landhaus durchblicken.

Verständnis für Dowas

“Die Verantwortlichkeiten sind dort zu lassen, wo sie hingehören”, erinnert etwa auch Wiesflecker. Einerseits gibt es eine klare Informationspflicht des Unternehmens an die Gesellschafter, andererseits eine Aufsichtspflicht aller Gesellschafter. Hier dürfte einiges zusammengekommen sein, vermutet Wiesflecker, aber es stelle sich schon die Frage, wer von wem was wie erfahren hat oder hätte müssen. Dowas betont, nicht ausreichend Dokumente vorliegen zu haben, um eine positive Zukunftsprognose für die Integra erkennen zu können.

Katharina Wiesflecker hätte die Refinanzierung der Integra gestattet. Der Verein Dowas habe sich die Entscheidung dagegen nicht einfach gemacht.<span class="copyright"> VN/PAulitsch</span>
Katharina Wiesflecker hätte die Refinanzierung der Integra gestattet. Der Verein Dowas habe sich die Entscheidung dagegen nicht einfach gemacht. VN/PAulitsch

“Der Verein Dowas hat es sich nicht einfach gemacht”, ist die Soziallandesrätin nach ihren Gesprächen überzeugt. Es stimme, dass sie die Verwendung von 360.000 Euro an Rücklagen für die Integra freigegeben habe. Der Verein habe sich aber auf Basis der ihm bekannten Unterlagen sehr seriös mit der Situation auseinandergesetzt und habe auch die Verantwortung, mit dem ihm zur Verfügung gestelltem öffentlichen Geld sorgsam umzugehen. Mit ungerechtfertigten Geldnachschüssen bestehe schließlich auch das Risiko einer Insolvenzverschleppung.

Auffanggesellschaft als Option

Doch wie soll es nun mit der Integra weitergehen? “Das ist schwer zu beurteilen”, räumt Wiesflecker angesichts ihres begrenzten Einblicks ein. Aus ihrer Sicht wäre ein Neustart in einer Auffanggesellschaft im Rahmen einer Insolvenz wohl am erfolgsversprechendsten. Diese erlaubt die Fortführung des Betriebs unter neuem Management, ungestört von einem laufenden Insolvenzverfahren.

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