Toxischer Cocktail: Wohnungsmarkt im Land bricht regelrecht ein

VN / 10.04.2023 • 16:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Toxischer Cocktail: Wohnungsmarkt im Land bricht regelrecht ein

VN-Recherchen im Grundbuch dokumentieren einen 25-Prozent-Rückgang alleine im ersten Quartal 2023.

Schwarzach Eine Branche in Schockstarre: Vorarlbergs Wohnungsmarkt spielt seit Monaten verrückt. Nach Boom-Jahren brechen die Verkäufe ein. Kostenexplosion, immer weiter steigende Zinsen und hohe Finanzierungshürden lassen Wohnträume der Reihe nach platzen. Es sei ein geradezu toxischer Cocktail an Entwicklungen, der dem Immobilienmarkt im Land zusetzt, sagt Reinhard Götze, Geschäftsführer von Re/max Immowest in Lauterach.

Makler und Wohnbauträger schilderten schon zuletzt, wie Verkaufsgespräche immer öfter auf der Zielgeraden gescheitert waren.<span class="copyright"> VN/Steurer</span>
Makler und Wohnbauträger schilderten schon zuletzt, wie Verkaufsgespräche immer öfter auf der Zielgeraden gescheitert waren. VN/Steurer

Der Traum von den eigenen vier Wänden – er rückt für immer mehr Menschen in weite Ferne. „Leute, die einen Wohnungsbedarf hätten, wurden ins Abseits gestellt“, stellt Götze fest. Finanzierungen ließen sich nicht mehr stemmen. Junge Familien aus der Mittelschicht – die VN haben zuletzt mit vielen von ihnen gesprochen – können sich Wohneigentum nicht mehr leisten. Auch Makler und Wohnbauträger schilderten, wie Verkaufsgespräche immer öfter auf der Zielgeraden scheitern.

Reinhard Götze, Re/max Immowest: „Was wir befürchtet haben, ist leider eingetreten.“
Reinhard Götze, Re/max Immowest: „Was wir befürchtet haben, ist leider eingetreten.“

Dabei war Anfang des Vorjahres die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Ukraine-Krieg und die Teuerung hatten den Immobilienmarkt erst mit etwas Verzögerung erwischt. Daten von Re/max zu Verbücherungen im Grundbuch beschreiben schließlich für 2022 einen Rückgang an Wohnungsverkäufen in Vorarlberg von 17,7 Prozent. Erst der Anfang, wie aktuelle Daten zeigen. Im ersten Quartal 2023 sind die Verkäufe noch einmal regelrecht eingebrochen.

2023 wurden bisher erst 531 Wohnungen verkauft. <span class="copyright">VN/Berchtold</span>
2023 wurden bisher erst 531 Wohnungen verkauft. VN/Berchtold

Im aktuellen Jahr haben bisher laut Grundbuch lediglich 531 Wohnungen den Besitzer gewechselt – so wenige wie im letzten Jahrzehnt nicht mehr. Beim Verkaufsvolumen, so VN-Recherchen im Grundbuch, ist der Rückgang von 276 Millionen Euro im ersten Quartal 2022 auf 192 Millionen in 2023 mit 30 Prozent noch höher ausgefallen. „Was wir befürchtet haben, ist leider eingetreten“, so Götze. Die Verbücherungen würden jetzt das wahre Ausmaß des Einbruchs bestätigen.

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Egal ob Maklergeschäft oder Bauträger: „Die Leute wollen zwar kaufen, können aber nicht“, so Reinhard Götze. Ähnliche Beobachtungen hatte Karlheinz Bayer, Geschäftsführer der i+R Wohnbau GmbH, bereits vor einigen Wochen gemacht. Klickraten auf der Homepage würden großes Interesse dokumentieren, tatsächliche Verkaufsgespräche seien aber stark zurückgegangen. „Die Finanzierungsthemen sind spürbar und schlagen voll durch“, so Bayer damals.

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9/11-Terroranschläge 2001, Finanzkrise 2008: Ereignisse wie diese hatten in den letzten 20 Jahren den Immobilienmarkt in Turbulenzen gebracht. „Eine Situation wie heute mit so vielen verschiedenen negativen Einflüssen gab es bisher allerdings nicht“, beschreibt Reinhard Götze. Es sei schwer abschätzbar, wie ein Weg aus dem Tal ausschauen könnte. Allerdings gäbe es noch immer Menschen im Land, die Geld hätten. So seien auch hochpreisige Immobilien weiter gut nachgefragt.

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Für die Masse wird es schwerer. Vorarlberg wird vom Land der Eigentümer zu einem Land von Mietern. Häusle bauen oder Haus kaufen scheint ohnedies kaum mehr möglich zu sein, wie vertiefende VN-Recherchen zeigen. So wurden heuer bisher nur 63 Einfamilienhäuser verkauft. 2019 waren es im ersten Quartal noch 107 Häuser. Das Minus von 41 Prozent verdeutlicht, dass Finanzierungen in praktisch allen Immobilienkategorien zur kaum überwindbaren Hürde wurden.

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VN-Recherchen Grundbuch

Zahlen zu Transaktionen in den Monaten Jänner, Februar, März 2023

Wohnungen 2023

– 531 Stück

– 192 Millionen Euro Volumen

Wohnungen 2022

– 717 Stück

– 276 Millionen Euro Volumen

Wohnungen 2021

– 762 Stück

– 279 Millionen Euro Volumen

Wohnungen 2020

– 746 Stück

– 250 Millionen Euro Volumen

Wohnungen 2019

– 817 Stück

– 255 Millionen Euro Volumen

Einfamilienhäuser 2023

– 63 Stück

– 49 Millionen Euro Volumen

Einfamilienhäuser 2022

– 87 Stück

– 70 Millionen Euro Volumen

Einfamilienhäuser 2021

– 77 Stück

– 47 Millionen Euro Volumen

Einfamilienhäuser 2020

– 102 Stück

– 50 Millionen Euro Volumen

Einfamilienhäuser 2019

– 107 Stück

– 54 Millionen Euro Volumen

Auszug Datenanalyse Re/max für Vorarlberg 2022 Wohnungsmarkt

VORARLBERG

Bundesweit prozentuell größter Mengenrückgang

2021 titelte der RE/MAX-ImmoSpiegel noch „Mehr Wohnungskäufe als je zuvor, bei Wachstumsrate Rang drei“. 2022 sieht die Lage ganz anders aus: Die Wohnungskäufe sind in Vorarlberg um -17,7 % eingebrochen, stärker als in allen anderen Bundesländern, was das Ländle auf eine ähnliche Verkaufsmenge wie 2019 zurückfallen ließ. Insgesamt wurden 2.867 Verbücherungen vorgenommen – Rang acht, hinter dem Burgenland.

Bundesweit größter Umsatzeinbruch

2021 war der Vorarlberger Wohnungsmarkt noch 1,25 Mrd. Euro schwer. Ein Jahr später, 2022, schlägt sich der Mengenrückgang auch auf den Umsatz nieder. Vorarlberg bleibt zwar mit 1,09 Mrd. Euro über der Milliardengrenze, verliert aber um -162,4 Mio. Euro. Zum Vergleich: Salzburg bleibt hingegen „nur“ -16,2 Mio. Euro hinter seinem Vorjahreswert und daher vor Vorarlberg auf Rang sechs.

 Im Westen nichts Neues – immer noch teuer

Nur bei den Wohnungspreisen macht kein anderes Bundesland Vorarlberg so schnell etwas vor. 366.737 Euro sind um +102.702 Euro mehr als der österreichische Durchschnitt und +41.136 Euro mehr als beim zweitgereihten Wien.

Mit einem Blick auf die prozentuelle Preisentwicklung liegt Vorarlberg mit +8,0 % zwar unter dem bundesweiten Durchschnitt (+9,3 %). Dies entspricht jedoch einem realen Plus von 27.253 Euro und damit dem dritthöchsten Preisanstieg nach Wien und Kärnten.

Quelle: Presseaussendung Re/max am 5. April 2023

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