Bürokratie an Schulen steigt: “Es ist ein Elend”

Lehrermangel und administrativer Aufwand: Der Direktor der MS Bregenz-Stadt kritisiert fehlende Unterstützung.
Wien, Bregenz Pflichtschuldirektoren und Lehrer beklagen immer lauter eine “permanente Überlastung” durch Bürokratie. Verbunden mit dem eklatanten Lehrermangel spitzte sich die Lage zuletzt zu. Die Wiener Pflichtschuldirektoren wandten sich daher mit einem offenen Brief an Bildungsminister Martin Polaschek, der mit seiner Reaktion nun die Lehrergewerkschaft irritiert. Aus anderen Ländern seien derartige Probleme nicht bekannt, so Polascheks Büro. Dem widerspricht Bernhard Posch, Direktor an der Mittelschule Bregenz-Stadt, im VN-Gespräch.
“Es ist ein Elend, man kann es sich nicht vorstellen”, fasst der Direktor die administrative Belastung zusammen. Lehrer- und Schülerdatenverwaltung, Ganztagsbetreuung, Lehrfächerverteilungen, Supplierungen, Stundenplanungen oder die Koordination mit sozialen Institutionen landen auf seinem Schreibtisch. “Und wenn irgendwo auf der Welt ein Krisenherd ist: Die Kinder kommen zu uns und nicht in das Gymnasium oder eine private Schule”, sagt Posch.

Er kritisiert vor allem die Ungleichstellung zwischen Landes- und Bundesschulen, was administrative Unterstützung anbelangt. Gymnasien seien hier begünstigt. “In der Mittelschule haben die Schulleitungen unter denselben, wenn nicht sogar schwierigeren Bedingungen zu administrieren.” Denn hinzu kämen etwa vermehrt die Flüchtlingsbewegung und sozialpädagogische Aufgaben. An seinem Schulstandort wären eine Administration, die alle Agenden der Ganztagsschule betreut, und eine Vollzeitstelle für Administration und Schulsozialarbeit “mehr als gerechtfertigt”. In diesem Schuljahr hat der Direktor der MS Bregenz-Stadt zwar eine Sekretärin bekommen – allerdings nur für zwölf Wochenstunden. “Wäre ich in einem Gymnasium, hätte ich eine Vollzeitkraft.”
Lehrermangel, fehlende Schulsozialarbeit
Zuletzt wurde vonseiten des Bildungsministers mehr Geld für administratives Personal in die Hand genommen. Polaschek hat kurz nach seinem Amtsantritt einen Erlass herausgegeben, um Lehrerinnen und Lehrer vom administrativen Aufwand zu entlasten, wie er im VN-Interview betonte. Zudem wurde die Standesvertretung mit einbezogen, um weitere Entlastungsmaßnahmen zu erarbeiten. Auf dieser Basis wurde im Herbst ein weiterer Erlass in Kraft gesetzt. “Ein Tropfen auf den heißen Stein” nennt Posch diese Aufstockung.

Denn die administrativen Aufgaben würden auch von Jahr zu Jahr komplexer werden. “Auch die Lehrerknappheit führt nicht zu besseren Bedingungen – wenn man entweder zu wenig Personal hat oder jeden nehmen muss”, sagt Posch. Er weist darauf hin, dass Quereinsteiger oft keine vertiefende pädagogische Ausbildung haben. Als dritten Punkt führt Posch die fehlenden Ressourcen im psychosozialen Unterstützungsbereich, sprich Schulsozialarbeit, an. Letztere sei vor allem in Vorarlberg “besonders schlecht aufgestellt”.
Scharfe Kritik der Lehrergewerkschaft
Auch der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) kann die Darstellung des Ministeriums nicht nachvollziehen. Seit Jahren würden Schulleitungen und Lehrpersonal “in Verwaltung, Bürokratie und sinnbefreiten Abfragen versinken” – und das in allen Bundesländern. Die Gewerkschaft fordere deshalb sei Jahren einen Abbau von Bürokratie und mehr Unterstützungspersonal, damit sich Direktoren und Lehrer wieder auf ihre Kernaufgaben – Pädagogik, Unterricht und Erziehung – konzentrieren könnten. Die Behörden wüssten teilweise überhaupt nicht, wie die Realität an den Schulen aussieht und wie hoch die Belastung der Schulleitungen und Lehrer bereits ist.
Ein Gutteil der Arbeitszeit gehe für administrative Aufgaben drauf, die auch Hilfskräfte erledigen könnten: So lautete das Ergebnis einer Befragung von 40 Schulleitern aus ganz Österreich im Vorjahr. Für die Arbeit an der Verbesserung des Lehrens und Lernens an den Schulen bleibe dadurch “zu wenig und manchmal gar keine Zeit”. Dazu komme, dass die Schulleitungen zu wenig Spielraum hätten, um wirklich zu gestalten.
Gewerkschaftliche Maßnahmen möglich
Sollte es weiterhin keine wesentlichen Verbesserungen geben, schließe er auch gewerkschaftliche Maßnahmen nicht aus. “Wirklich nur Dienst nach Vorschrift zu machen, hätte eine enorme Wirkung, damit alle Verantwortlichen einmal sehen, was über alle Grenzen hinweg von den Schulen, den Schulleiterinnen und den Lehrern geleistet wird.”
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.