„Diese Wahl war ein politisches Kalkül“

VN / 23.04.2023 • 11:30 Uhr / 9 Minuten Lesezeit
„Diese Wahl war ein politisches Kalkül“
Antonio Della Rossa kritisiert das Verhalten der ÖVP scharf. Auch Bernhard Corn (SPÖ) findet es schade, dass mit der Wahl der neuen ÖVP-Vizebürgermeisterin nicht dem Wählerwillen der Bludenzer entsprochen wurde. VN/JUN, SPÖ Vorarlberg

Das sagen die SPÖ und die Grünen zur Wahl der neuen ÖVP-Vizebürgermeisterin von Bludenz.

Bludenz Nach der Vizebürgermeisterwahl in Bludenz gehen die Wogen vor allem bei der SPÖ hoch, wollte sie doch eigentlich den Vizebürgermeister stellen. Schließlich war die zurückgetretene Eva Peter ebenfalls von der SPÖ. Doch da machte die ÖVP nicht mit und nominierte ihre eigene Vizebürgermeisterin, Andrea Mallitsch, die schließlich auch mit einer Stimme Mehrheit die Wahl gewann.

Stadtrat Bernhard Corn (SPÖ) bedauert es, dass der Vizebürgermeisterkandidat der SPÖ, Andreas Fritz-Wachter, nicht genug Stimmen bekam. Die kleinen Parteien, FPÖ und Die Grünen, ließen es sich anscheinend offen, wen sie wählen wollen, vermutet Bernhard Corn. Er geht davon aus, dass sich die Parteien vor der Wahl untereinander abgestimmt haben. 16 Stimmen bekam Andrea Mallitsch (ÖVP) und ist damit Neo-Vizebürgermeisterin der Alpenstadt Bludenz. Alle 16 Stimmen kamen von der ÖVP. Andreas Fritz-Wachter bekam 15 Stimmen, 14 davon von der SPÖ und eine von den beiden kleineren Parteien (FPÖ und Die Grünen). Zwei waren ungültig. „Man hätte zusammen mit den kleinen Parteien eine Mehrheit haben können“, ist Corn überzeugt.

Die Argumente, die Cenk Dogan bei der Nominierung von Andrea Mallitsch angeführt hatte, hinken nach Meinung von Bernhard Corn. Die Begründung, die ÖVP wolle eine Frau als Vizebürgermeisterin, stimme nicht. Hätte die SPÖ eine Vizebürgermeisterin aufgestellt, beispielsweise Catherine Muther, dann hätte die ÖVP trotzdem eine eigene Kandidatin zur Wahl gestellt. Die ÖVP hätte demnach auch keine SPÖ-Frau zugelassen. „Catherine wäre von der ÖVP nicht gewählt worden“, ist sich Corn sicher.

Dass diese Wahl reines politisches Kalkül sei, habe sich bereits in den Vorgesprächen mit der Bludenzer ÖVP abgezeichnet, betont der Bludenzer SPÖ-Stadtparteichef Antonio Della Rossa: „Schon hier hat man uns zu verstehen gegeben, dass man mit bestimmten Personen erst gar nicht zusammenarbeiten werde.“ Deshalb habe man sich bei der Bludenzer SPÖ auch bewusst dafür entschieden, einem jungen, politisch noch unbelasteten, motivierten Menschen eine Chance zu geben. „Wir wollten damit auch ein Entgegenkommen signalisieren. Die Zerwürfnisse der Vergangenheit sollten der politischen Arbeit in der Zukunft nicht im Wege stehen“, erklärt der Bludenzer SPÖ-Stadtparteichef.

Gegen den Wählerwillen

Bei der Wahl 2020 war die SPÖ mit 39 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft. „Ich bin der Meinung, dass es der Wählerwillen war, dass die SPÖ den Vizebürgermeister stellt“, so Corn. „Die ÖVP hat hier ihre Machtinteressen mit aller Härte durchgesetzt, gegen den Wählerwillen“, ist Della Rossa sauer. Und auch für Corn sei es „reiner Machterhalt“, was die ÖVP da auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene betreibe. Als Beispiel nannte er Dornbirn, wo sich die ÖVP wider Erwarten den Vizebürgermeister-Posten gekrallt hatte.

Die „Errungenschaften“, die Andrea Mallitsch in ihrer dreijährigen Amtszeit als Stadträtin erreicht habe, zählen für Corn nicht. So sei die „Community Nurse“ ein EU-gefördertes Projekt gewesen, der „Corona-Hunderter“ vom Bund gefördert gewesen und der Offene Kühlschrank sei wieder zu. Im Sozialbereich, dem Steckenpferd der neuen Vizebürgermeisterin, gebe es einige Baustellen, kritisiert auch Della Rossa: „Seit über einem halben Jahr fordert die SPÖ eine Arbeitsgruppe zur Gewaltprävention. Bis heute steht die ÖVP voll auf der Bremse.“

Bürgermeister Simon Tschann mit Vizebürgermeisterin Andrea Mallitsch und Stadtrat Andreas Fritz-Wachter nach der Wahl. <span class="copyright">Stadt Bludenz</span>
Bürgermeister Simon Tschann mit Vizebürgermeisterin Andrea Mallitsch und Stadtrat Andreas Fritz-Wachter nach der Wahl. Stadt Bludenz

Unerfahrenheit sei kein Argument

Auch der Vorbehalt aufgrund Andreas Fritz-Wachters politischer Unerfahrenheit lässt Bernhard Corn nicht zählen. Immerhin sei der Bürgermeister vor seinem Amt überhaupt in keinem politischen Gremium gewesen. „Andreas hat wenigstens drei Jahre politische Erfahrung sammeln können“, so Corn. Andrea Mallitsch sei genauso lang in der Stadtpolitik tätig. Andreas habe in den Ausschüssen (Prüfungsausschuss, Finanz- und Wirtschaftsausschuss) immer gut mitgearbeitet, sei zudem Obmann der Pfadfinder. „Er wäre ein sehr verbindender Kandidat gewesen“, sagt Corn. Immerhin habe er den Stadtratsposten mit 29 Stimmen „klar für sich gewonnen“.

Auch Antonio Della Rossa wirft der ÖVP vor, dass der von der SPÖ aufgestellte Kandidat, Andreas Fritz-Wachter, bewusst ausgebremst wurde: „Andreas Fritz-Wachter ist schon seit mehreren Jahren politisch aktiv. Er ist Vorstandsmitglied des Jugendbeirates und zeigt viel Engagement für Bludenz. Dass ihm von Seiten der ÖVP mangelnde politische Erfahrung für das Amt des Vizebürgermeisters vorgehalten wird, ist daher nicht nachvollziehbar.“

Die Zusammenarbeit werde in Zukunft „sicher nicht einfacher werden“, befürchtet Bernhard Corn, der selbst aus privaten und zeitlichen Gründen den Vizebürgermeister-Posten nicht hätte bekleiden können. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen ÖVP und SPÖ sei aber von der Bevölkerung bei der Wahl eindeutig gewünscht worden. In Zukunft könne sich Bernhard Corn einen stärkeren Zusammenschluss mit den Grünen und FPÖ vorstellen. „Wenn man es ernst meint und gute Sachpolitik betreibt, dann könnte man viel für Bludenz erreichen.“ Bei der nächsten Bürgermeisterwahl werde die SPÖ wieder einen Spitzenkandidaten aufstellen. VN-JUN

Die Grünen zeigen sich besorgt

Das sind die Grünen Stadtvertreter in Bludenz: Manuel Feichtner, Lukas Zudrell, Nina Schiffner und Patrick Ehrenbrandtner. <span class="copyright">Annemarie Burtscher</span>
Das sind die Grünen Stadtvertreter in Bludenz: Manuel Feichtner, Lukas Zudrell, Nina Schiffner und Patrick Ehrenbrandtner. Annemarie Burtscher

Auch die Grünen (Offene Liste Bludenz) haben in einer Presseaussendung zur Wahl der neuen Vizebürgermeisterin von Bludenz Stellung bezogen: Die Offene Liste Bludenz gratuliert Andrea Mallitsch zur Wahl als Bludenzer Vizebürgermeisterin und Stadtrat Andreas Fritz-Wachter zu seinem neuen Amt. „Wir wünschen Andrea Mallitsch und Andreas Fritz-Wachter viel Erfolg und hoffen, dass sie dieses Amt mit großem Engagement und voller Tatkraft ausüben werden“, so Lukas Zudrell, Sprecher der Offenen Liste Bludenz – Die Grünen. „Die Bevölkerung erwartet von der neuen Vizebürgermeisterin und dem neuen Stadtrat, dass sie sich für ihre Interessen einsetzen und mit voller Kraft für das Wohl der Stadt arbeiten.“

Allerdings zeigen sich die Grünen besorgt über die Konzentration von Macht in der Stadt, da die ÖVP nun sowohl den Bürgermeister als auch die Vizebürgermeisterin stellt. „Demokratiepolitisch ist es nicht optimal, wenn eine Fraktion sowohl den Bürgermeister als auch die Vizebürgermeisterin stellt“, sagt Lukas Zudrell. „Es ist wichtig, dass es in der Stadtregierung ein ausgewogenes Kräfteverhältnis gibt, um sicherzustellen, dass alle Interessen angemessen berücksichtigt werden und nicht nur die einer einzelnen Fraktion.“
Die Grünen werden sich daher weiterhin für eine ausgewogene und demokratische Vertretung in der Stadt einsetzen. Abschließend betont Zudrell, dass die Grünen bereit sind, konstruktiv mit allen Fraktionen zusammenzuarbeiten, um das Beste für die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.

Interview mit Andrea Mallitsch, Neo-Vizebürgermeisteirn

Wie hast du die Wahl erlebt?

Mallitsch Es war eine sachliche und sehr wertschätzende Diskussion, die mit einer demokratischen Wahl geendet hat. Ich gratuliere Andreas Fritz-Wachter zu seiner neuen Funktion und bedanke mich für das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde.

Was willst du als Vizebürgermeisterin bewirken?

Mallitsch Mir als Vizebürgermeisterin ist es wichtig, dass wir zusammen für Bludenz arbeiten und alle an einem Strang ziehen. Das sollte stets unser gemeinsames Ziel sein. Es geht um die Menschen in unserer Stadt und darum, ihre Lebensqualität zu verbessern.

Wie beurteilst du die künftige Zusammenarbeit mit der SPÖ?

Mallitsch Sachpolitik muss immer im Vordergrund stehen. Unser Ziel muss sein, dass wir uns gegenseitig die Hand reichen und gemeinsam für unsere Stadt arbeiten. Persönliche Befindlichkeiten dürfen dabei keine Rolle spielen.

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