Wen ein Internetforum-User mit „hinterfotzigem Pack“ meinte

Vorarlberger (67) wegen einem bedenklichen Kommentar vom Gericht zu 160 Stunden Sozialarbeit verdonnert.
Feldkirch Der unbescholtene Pensionist stieß im Mai vergangenen Jahres auf einen Artikel in VOL.AT, der den Einmarsch der Russen in Kiew zum Thema hatte. Bei den Kommentaren fiel ihm im Chatverlauf auf, dass jemand von einem Video sprach, das zeigt, wie zwei Ukrainer in einer Autowerkstatt von russischen Soldaten erschossen werden.
Der 67-Jährige wechselte den Kanal in den sozialen Medien, fand das Video, sah es an, klinkte sich dann wieder im Chatverlauf ein – und ließ seinem Zorn über das Gesehene Luft: „Die Russen sind ein hinterfotziges Pack“ schrieb er. Dieser Kommentar wurde jedoch innerhalb von drei Minuten von der Redaktion entfernt.
Anklage der Verhetzung
Dieser von ihm verfasste Satz brachte dem 67-Jährigen seitens der Staatsanwaltschaft die Anklage der Verhetzung ein. Einem Paragraphen also, der strafrechtlich mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bedroht wird. Eine von der Staatsanwaltschaft angebotene Diversion (außergerichtlicher Tatausgleich) lehnte der 67-Jährige ab. Er hätte an einem Neustart-Projekt zum Thema „Dialog statt Hass“ teilnehmen sollen. Also kam es zur Strafverhandlung am Landesgericht Feldkirch.
“Aus dem Zusammenhang gerissen”
Der Angeklagte fühlt sich bei der Verhandlung missverstanden. Vor Richterin Silke Sandholzer beteuert er, dass der Satz „aus dem Zusammenhang gerissen“ worden sei und fügt hinzu: „Das muss man sich mal vorstellen: Da sandeln russische Soldaten zwei Mitarbeiter einer Autowerkstatt um Zigaretten an, um sie dann hinterrücks zu erschießen! Das war für mich hinterfotzig. Aber ich meinte damit natürlich nicht das russische Volk in seiner Gesamtheit. Ich meinte damit nur die russische Soldateska in der Ukraine.“
Unmut geäußert
Das Video habe ihn entsetzt. „Ich habe dann eben meinen Frust und meinen Unmut darüber geäußert“, erklärt er seinen Kommentar. „Aber das hat ja nichts mit dem allgemeinen russischen Volk zu tun, gegen dieses habe ich nichts. Ich habe selbst schon einmal eine Reise mit der transsibirischen Eisenbahn unternommen – alles tiptop!“, sagt er.
Ob er eine solche öffentliche Unmutsäußerung als ehemaliger Lehrer schon angebracht halte, wird er von der Richterin gefragt. „Ich seh’s ja ein“, kommt als Antwort, aber: „Es war eben ein unüberlegter Schnellschuss. Und ich dachte, es bleibt anonym. Na ja, so anonym wieder doch nicht . . .“. räumt der nun glaubhaft reumütige Angeklagte ein.
Staatsanwältin und Richterin erklären sich erneut bereit, die Angelegenheit mit einer Diversion zu erledigen. 160 Stunden Sozialarbeit statt Verurteilung und Vorstrafe. Der 67-Jährige ist einverstanden und gelobt Besserung.
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