Erste Reihe fußfrei
Tausend Bilder hat der Regenspaziergang hinterlassen: Die kleinsten Pflanzen recken ihre Kelche dem nassen Segen entgegen. Alles atmet Leben. Selbst Kieselsteine – sonst nur unbeachtet betreten – zieren jetzt glänzend den Achuferweg wie Pretiosen die Auslage eines Juweliers. Diese eine Stunde entfaltet so viel Strahlkraft, dass sie den ganzen Wochenanfang spielerisch erhellt. Mit allen tagesaktuellen Nachrichten inklusive. Obwohl – da hat selbst Mutter Natur inzwischen schweres Spiel.
Das tägliche Gemisch aus Brutalitäten und Betrug, aus echten und hochstilisierten Skandalen gipfelt in der einen Frage: Wann beginnt sie endlich, die Gegenoffensive der Ukrainer? Jeder Schritt wird berichtet, jedes Wort nacherzählt. So schaulustig wirkt das alles, als rollten die ersten Panzer erst an, wenn alle Kameras ausgerichtet sind und sich das Fernsehpublikum noch mit Snacks und zischenden Getränken versorgt hat. Dann kann das große Sterben weitergehen.
Angehörige werden verzweifelt auf Nachricht warten. Später trauern sie fassungslos. Kinder werden ihre Väter, Frauen ihre Männer verlieren. Und niemand mag abschätzen, wie das alles endet. Und doch gebärdet sich die multimediale Gesellschaft heute wie vor einer Tatortfolge am Sonntagabend.
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