Zu- oder Ungehörig

Kultur / 09.05.2023 • 17:05 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Dinçer Güçyeter erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik.   <span class="copyright"> APA/dpa/Hendrik Schmidt</span>
Dinçer Güçyeter erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik. APA/dpa/Hendrik Schmidt

Feldkircher Literaturtage 2023 über Klasse und Herkunft in der Literatur.

Feldkirch

Die französische Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Annie Ernaux war eine der ersten Autoren, die ihre Herkunft aus dem Arbeitermilieu zum zentralen Thema ihres literarischen Schaffens machte. Ihre unverblümte Darstellung der sozialen Klassen inspirierte zahlreiche Schrifsteller, wie etwa den französischen Soziologen Didier Eribon, der mit seinem Essay „Rückkehr nach Reims“ die Klassendebatte auch im deutschsprachigen Raum anregte.

Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux machte ihre Herkunft aus dem Arbeitermilieu zum zentralen Thema.  <span class="copyright">Jonathan NACKSTRAND / AFP</span>
Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux machte ihre Herkunft aus dem Arbeitermilieu zum zentralen Thema. Jonathan NACKSTRAND / AFP

Eribon war Schüler des renommierten Soziologen Pierre Bourdieu, der mit seiner Studie „Die feinen Unterschiede“ den Begriff des Habitus prägte – das System von Einstellungen, Verhaltensweisen und Vorlieben, das ein Individuum aufgrund seiner sozialen Herkunft entwickelt. In jüngster Zeit sind im deutschsprachigen Raum mehrere Anthologien zum Thema Klasse in der Literatur erschienen, darunter Brotjobs und Literatur sowie Klasse und Kampf. Die US-amerikanische Autorin und Aktivistin bell hooks (1952-2021) beschreibt in ihrem Werk „Die Bedeutung von Klasse“ ihren persönlichen Weg aus der Unterschicht zum Wohlstand durch Bildung unter Berücksichtigung der Klassenfrage. hooks betont, dass eine kritische Bewusstseinsbildung für Privilegierte entscheidend ist, um sich von den herrschenden Machtstrukturen zu befreien.

Sabine Scholl und Marie-Rose Rodewald-Cerha haben ein inspirierendes Programm zusammengestellt.    <span class="copyright">mathiasbothor.com</span>
Sabine Scholl und Marie-Rose Rodewald-Cerha haben ein inspirierendes Programm zusammengestellt. mathiasbothor.com

Vom 11. Bis zum 13. Mai finden in Feldkirch die „Literaturtage 2023“ zum Thema „Zu oder Ungehörig – über Klasse und Herkunft in der Literatur“ statt, bei der Autorinnen und Autoren wie Marie-Rose Rodewald-Cerha, Sabine Scholl, Eva Schörkhuber, Barbi Marković, Karin Peschka und Dinçer Güçyeter ihre Werke vorstellen und diskutieren. Im Zentrum steht die Frage, wie Herkunft, sozioökonomische Rahmenbedingungen und Geschlecht die Lebensrealitäten und das Schreiben der beteiligten Autorinnen und Autoren prägen.

Barbi Marković und Karin Peschka lesen aus ihren Romanen „Die verschissene Zeit“ und „Dschomba“.   <span class="copyright">Apollonia Theresa Bitzan</span>
Barbi Marković und Karin Peschka lesen aus ihren Romanen „Die verschissene Zeit“ und „Dschomba“. Apollonia Theresa Bitzan

Am Donnerstag, 11. Mai, spricht Eva Schörkhuber über bell hooks’ „Die Bedeutung von Klasse“ und fragt, inwieweit hooks’ Erfahrungen als schwarze feministische Intellektuelle auf heutige Verhältnisse übertragbar sind. Am Freitag, 12. Mai, lesen Barbi Marković und Karin Peschka aus ihren Romanen „Die verschissene Zeit“ und „Dschomba“ und sprechen mit Sabine Scholl über die Prägung durch soziale Herkunft und Lebensumstände.

Dinçer Güçyeter liest aus seinem Roman "Deutschlandmärchen".     <span class="copyright">palagrafie</span>
Dinçer Güçyeter liest aus seinem Roman "Deutschlandmärchen". palagrafie

Der Preis der Leipziger Buchmesse 2023 in der Kategorie “Belletristik” geht an den Schriftsteller Dinçer Güçyeter. Er wird im Rahmen der Feldkircher Literaturtage 2023 am 13. Mai im Saumarkt aus seinem preisgekrönten Werk “Deutschlandmärchen” lesen und mit den Autorinnen Barbi Marković, Eva Schörkhuber und Karin Peschka über das Thema “Herkunft, Anpassung und Widerstand” diskutieren.

Autorin Karin Peschka.    <span class="copyright">Chris Zvitkovits</span>
Autorin Karin Peschka. Chris Zvitkovits


Die diesjährigen Literaturtage beschäftigen sich mit dem Thema „Klassismus“, der Zugehörigkeit zu einer „Klasse“ und den damit verbundenen Diskriminierungen. “Dabei ist die Gruppe von weniger privilegierten Menschen nicht mehr mit der althergebrachten Arbeiterklasse gleichzusetzen, sondern ist vielfältiger und komplexer strukturiert,” merkt die Expertin und Autorin Sabine Scholl an. Es wird der Frage nachgespürt, wie der „Klassismus“ in der Literatur, ob thematisch, sprachlich oder als literarisches Erbe, repräsentiert und bearbeitet wird.

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.