Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Davon rate ich entschieden ab

VN / 16.05.2023 • 06:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Eigentlich sollten die Eisheiligen schon vorbei sein, nur merkt man nichts davon. Ich heize immer noch. In der Früh komme ich in die Küche, ich sage: Es ist bald Sommer! Geheizt wird nicht mehr! Dann schaue ich, weil es so klamm ist, auf des Thermometer, 15 Grad, und feuere den Holzherd doch noch einmal an. Die Eisheiligen sind heuer eher Kaltwasserheilige, ich höre den Regen aufs Vordach prasseln.

„Die Eisheiligen sind heuer eher Kaltwasserheilige, ich höre den Regen aufs Vordach prasseln.“

Ich habe vorgestern die Tomaten, die ich in Pappbechern gezogen habe, hinausgesetzt, vor die Süd-Hauswand, die jetzt theoretisch warm sein sollte. Ich habe im Zuge der Sperrmüllaktion das selbstgebastelte Tomaten-Anlehngewächshaus geopfert, eine, wie ein naher Verwandter sagen würde, extrem russische Konstruktion: Die Scheiben der alten Fenster, die ich dafür verwendet hatte, waren eine nach der anderen herausgefallen.

Aber jetzt habe ich den zehn Tomatentöpfen doch noch einen Regenschutz gebastelt, von einer Rolle Abdeckfolie, die ich beim Aufräumen des Schuppens entdeckt habe. Ich fand im Zuge der Aktion auch neun – in Ziffern: 9 – halbvolle Kanister und Flaschen mit Frostschutzmittel fürs Auto, weil ich jeden Winter, wenn ich’s dringend brauchen würde, kein Frostschutzmittel finde, und das sagt im Wesentlichen alles über den beschämend unvorarlbergerischen Zustand, in dem sich der Schuppen vor dem Aufräumen befand. Jetzt nicht mehr. Jetzt sieht es darin, auch wenn ich keineswegs anmaßend sein will, schon fast so aus wie im Keller meiner Eltern, mit vielen transparenten Boxen und neun ordentlich nebeneinander aufgereihten Frostschutzmittel-Kanistern. Zehn, wenn ich den aus dem Auto noch dazustelle, ich brauche ihn hoffentlich heuer nicht mehr.

Während ich die Abdeckfolie mit Wäscheklammern an den Tomaten-Spiralstangen befestigte, fielen mir die verschiedenen, teils durchaus kreativen Wege ein, auf denen ich seit Jahren versuche, so prächtige Paradeiser wachsen zu lassen wie meine Nachbarn. Vorm Haus, neben dem Haus, unter räudig gespannten Foliendächern, in dem erwähnten Altfensterglashaus. In der originellsten Version, natürlich aus dem Internet, wuchsen die Tomaten von verkehrt herum aus Schlitzen in festen, mit Erde gefüllten blau-rot-weiß-gestreiften Einkaufstaschen, die an einer Stange hingen. Was spektakulär aussah und außerordentlich gut funktionierte: Die Tomaten wuchsen und gediehen wie nie, und wären so schön, groß und aromatisch wie jene der Nachbarn geworden, hätten sie nicht die Äste, an denen sie hingen, mit ihrem Gewicht abgerissen, bevor sie reif waren. Außerdem lernte ich, dass diese Einkaufssäcke überraschend schnell verrotten und rate insgesamt eindringlich von dieser Methode ab.
Ich stelle meine Tomaten heuer wieder an die Südwand unters Vordach und hoffe, dass bald die Sonne wieder rauskommt.

Doris Knecht

doris.knecht@vn.at

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.

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