Was einen tüchtigen Geschäftsmann plötzlich aus der Bahn warf

VN / 26.05.2023 • 07:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Der Angeklagte vor Richterin Silke Sandholzer: "Kann mich nicht erinnern, bin unschuldig." <span class="copyright">vn/gs</span>
Der Angeklagte vor Richterin Silke Sandholzer: "Kann mich nicht erinnern, bin unschuldig." vn/gs

Händler bezahlte angeliefertes Kupfer stets sofort und oft auch in bar – mit Ausnahme der letzten Rechnung.

Feldkirch Der 51-jährige Staatenlose, wohnhaft in Vorarlberg, betrieb bis zum Jahr 2022 mit seinem Sohn ein Einzelhandelsunternehmen mit einer Kabelverlegungsanlage. Bei einem deutschen Buntmetallhändler im Allgäu kaufte er tonnenweise Kupferkabel ein. Das Metall wurde ihm von Frächtern nach Vorarlberg geliefert.

Die Rechnungen beliefen sich auf bis zu 70.000 Euro. Stets bezahlte der Käufer bar, hin und wieder auch mittels Banküberweisungen. Das schaffte Vertrauen. Bis die letzte Rechnung einer Lieferung von 4,15 Tonnen Kupferkabeln für 29.880 Euro plötzlich unbeglichen blieb. Bis heute.

Der deutsche Metallhändler mahnte und mahnte. Auch über einen Rechtsanwalt. Immer wieder wurde er von seinem Geschäftspartner in Vorarlberg vertröstet. Per WhatsApp kamen Mitteilungen wie „Morgen geht es raus, morgen hast du das Geld“ oder „Ich komme morgen zum Zahlen“ oder „Ich warte noch auf meine Frau“.

Es waren leere Versprechungen. Kein Cent ging über die Grenze. Schließlich brachte der Deutsche den Händler in Vorarlberg zur Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch erhob Anklage gegen den 51-Jährigen. Wegen schweren Betrugs.

Der ultimative Schrott: Mit recyceltem Kupfer lassen sich gute Geschäfte machen. <span class="copyright"> symbol/apa</span>
Der ultimative Schrott: Mit recyceltem Kupfer lassen sich gute Geschäfte machen. symbol/apa

Erinnerungslücke

Doch bei der Verhandlung am Landesgericht Feldkirch zeigt sich der Angeklagte – er befindet sich mittlerweile im Privatkonkurs und ist beschäftigungslos – nicht geständig. „An die Lieferung und Rechnung, um die es hier geht, kann ich mich nicht erinnern“, begründet er gegenüber Richterin Silke Sandholzer recht lapidar.

Dann jedoch legt der 51-Jährige andere Karten auf den Tisch und lässt einen Blick auf seinen psychischen Zustand zu: „Ich hatte ein Burn-out, war nervlich kaputt und am Ende.“

Sohn verhaftet

Der Grund dafür sei die Verhaftung seines Sohnes gewesen. Weil der Junior plötzlich auf die schiefe Bahn geraten war. Was ihn, den Vater, selbst aus der Bahn geworfen habe.

Rechtsanwalt Nicolas Stieger: "Beweismaterial gegen meinen Mandanten ist zu dünn." <span class="copyright">vn/gs</span>
Rechtsanwalt Nicolas Stieger: "Beweismaterial gegen meinen Mandanten ist zu dünn." vn/gs

Das betont auch sein Verteidiger Rechtsanwalt Nicolas Stieger: „Wenn plötzlich zwanzig Polizisten auf dem Gelände stehen, eine Hausdurchsuchung stattfindet und der Sohn verhaftet wird, dann fällt für eine Familie das Kartenhaus, das sie mühsam aufgebaut hat, auf einen Schlag zusammen.“ So etwas wie eine unbezahlte Rechnung sei dann alles andere als etwas „Lebenswichtiges“, so der Anwalt. Im Übrigen sei der offene Rechnungsbetrag mittlerweile in das Schuldenregulierungsverfahren der Insolvenz seines Mandanten eingeflossen.

Abgesehen von dieser psychischen Belastung für den Angeklagten, der sich nun auch noch um die drei Kinder seines Sohnes, der in Haft sitzt, kümmern müsse, sei das von der Staatsanwaltschaft vorgelegte Beweismaterial doch zu dünn. „Man kann meinem Mandanten, der seine Rechnungen stets bezahlt hatte, keinen plötzlichen Bereicherungsvorsatz durch Betrug anlasten“, sagt Stieger und weist auch auf den seiner Meinung nach etwas dubiosen Chatverkehr zwischen den Geschäftspartnern hin.

Freispruch

Richterin Sandholzer folgt den Argumenten des Verteidigers und spricht den 51-Jährigen frei. Anders der Staatsanwalt. Dieser zeigt sich mit der Entscheidung nicht zufrieden und meldet Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil an.

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.