Ich hab ein knallgrünes Gummiboot

VN / 30.05.2023 • 06:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Ich hab ein knallgrünes Gummiboot

Am Pfingstsonntag räume ich gerade hinter dem Haus herum, als ich den Hund bellen höre. Nach drei Jahren verstehe ich den Hund allmählich: Es gibt ein Bellen, mit dem er erfreut zur Kenntnis nimmt, dass der Nachbarhund auch da ist und rübergelassen werden soll. Es gibt eins, das sagt: Lass mich raus/rein. Es gibt eins, das klarmacht, dass der Hund nicht länger auf dem Uferweg herumstehen und warten will, bis ich mich fertig mit dem Tobi unterhalten habe, der mit seinem Hund in die andere Richtung unterwegs ist. Es gibt eins, das klarmacht, dass ein Fremder das Grundstück betreten will, und so ein Bellen ist das jetzt.
Ich gehe nach vorne, um nachzuschauen, wer kommt. Es ist der Mike aus dem Dorf, der schon länger nicht mehr vorbeigeschaut hat, eigentlich, seit ich ich den Hund habe, ich glaube, er mag keine Hunde. Aber heute schreitet er tapfer durch die Wiese, während der Hund um ihn herumrennt und bellt. Ich rufe den Hund zu mir und begrüße den Mike und sperre dann den Hund kurz ins Haus.
Zeawas, wie geht’s, was gibt’s? Auch servus, gut, ich würde mir gern dein Boot ausborgen, ginge das?

„Ich fand, wenn man ein Hüsle so nahe an einem Fluss hat, braucht man auch ein Boot, mit dem man den Fluss hinunterpaddeln kann.“

Ich habe ein Boot. Ich habe das Boot vor Jahren gekauft, als die Kinder noch kleiner waren. Es ist ein aufblasbares Gummiboot, ein tschechisches Modell, dunkelgrün, mit drei Paddeln und drei Sitzbrettern, die man mit dicken Schnüren in dem Boot festbindet. Ich hatte mal einen zweitägigen Kajak-Kurs gemacht, mit dem Mike und noch zwei Freunden. Ich fand, wenn man ein Hüsle so nahe an einem Fluss hat, braucht man auch ein Boot, mit dem man den Fluss hinunterpaddeln kann.

Nachdem wir das Boot zum ersten Mal aufgepumpt hatten, war ich eigentlich schon zu erschöpft, um damit noch zu fahren: Es ist doch recht anstrengend, so ein langes Boot mit Luft zu füllen. Die erste Fahrt machten wir sicherheitshalber zu zweit, ohne die Kinder. Zuerst war es ganz schön und idyllisch, auf dem Fluss zu treiben, wenn auch nicht besonders bequem, so halb sitzend und halb in dem kalten Wasser knieend, das beim Einsteigen ins Boot geschwappt war. In der ersten Stromschnelle kenterten wir und fielen in den Fluss, das war nicht schön, und danach hab ich mich nie getraut, mit den Kindern zu paddeln, war mir zu riskant, und jetzt liegt das Boot die meiste Zeit in seinem Rucksack im Schuppen.
Jedenfalls, der Mike fragt, ob er sich das Boot ausborgen kann. Der Mike hat selber ein Gummiboot, ein rotes mit zwei Sitzen, aber er würde gern mit drei Freunden fahren. Ja klar, gut, wenn das Boot mal wieder ins Wasser kommt. Der Mike sagt, es wäre dann noch ein Platz frei, ob ich mitfahren will. Danke, aber nein danke, ich geh lieber auf meinen Beinen am Flussweg entlang, mit dem Hund, da fühle ich mich sicherer.

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.