Wie im Himmel

Das Kloster Wettingen-Mehrerau präsentiert die erste Sommerausstellung in ihrer nahezu 1000-jährigen Geschichte.
„Barock is hot“, so der rührige und nonchalante Kurator der Ausstellung Tobis G. Natter bei seiner Eröffnungsrede zur Sommerausstellung „Himmel auf Erden. Barockentwürfe und Design“. Die Idee dazu hatte Pater Abt Vinzenz Wohlwend OCist, diese Sommerausstellung stellt ein Novum in der nahezu 1000-jährigen Geschichte des Klosters dar.

Natter entlehnte für diese kleine, aber feine Barockausstellung Meisterzeichnungen, aber auch Plastiken der österreichischen und süddeutschen Schule sowie angrenzender Kunstlandschaften aus verschiedenen privaten Sammlungen. Dass sich solche Handzeichnungen mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Sammlungen des Klosters befunden haben, „doch mit der Aufhebung des Klosters 1807 gingen diese Schätze wie viele andere verloren oder zerstreuten sich in alle Winde“, monierte Natter etwas betrübt.

Das Lebensgefühl des Barocks zeichnet sich durch scharfe Kontraste aus u. a. durch das Memento mori (Bedenke, dass du sterben musst), schließlich tobte in halb Europa der Dreißigjährige Krieg, durch das Carpe Diem (Pflücke, nutze den Tag) und durch die Vanitas (Nichtigkeit, Vergänglichkeit). Eine der Charakteristiken der Mentalität des Barocks ist die Verbindung von exakter Vorstellung und überraschendem Effekt, die verschiedene Namen enthält, wie Agudeza (Scharfsinn), Wit (Verstandesschärfe), Concettismo (Einfall, gepaart mit einer Metapher und einer Allegorie) sowie Marinismus (manieristischer Stil).

Die in der Ausstellung zu sehenden Entwürfe, „meist Federzeichnungen auf Papier, häufig laviert, teils koloriert“, so Tobias G. Natter, „erstaunen uns in vielerlei Hinsicht. Zum einen durch die Vielfalt der Themen – von raumillusionistischen Deckengestaltungen bis morbiden Trauergerüsten und modischen Wanddekorationen“.

Hier können wir all das oben Erwähnte der Agudeza, des Concettismo etc. verorten – überbordende Fantasie, kreative Schöpferkraft, unglaublich durchdachte Entwürfe von großer Brillanz. Außergewöhnlich die präsentierten Entwürfe, u. a. von Giovanni Battista Cagliari, der Künstlerfamilie Bibiena, oder aus dem Umfeld von Jean Bérain d. Ä., Kammerzeichner am Hof Ludwig XIV.

Es gäbe noch so einiges zu erforschen, das Kloster Wettingen-Mehrerau betreffend, so die damaligen Besitzverhältnisse, zwischen 1806-1854, als das Kloster an die Zisterzienserabtei Wettingen verkauft wurde, u. a. von den Bezauer Geschwistern Feuerstein, um angeblich 50.000 Gulden, und auch werden dem Vorarlberger „Andreas Hofer“, Franz Anton Schneider, der Hauptmann des Vorarlberger Landsturms, während der Bayerischen Besatzung (1805-1814) Besitzungen in der Mehrerau zugesagt.

Des Weiteren wäre eine Namensbestimmung äußerst interessant, die historischen Namensformen der Mehrerau lauteten im 12. und 13. Jahrhundert „Kloster Bregenz“, später „Kloster Bregenz in der Au“ und erst nach 1540 „Kloster Mehrerau in Bregenz”. Es gibt auch eine „Minderau“ (eine Augia Minor in Bezug zur Augia Maior/Mehrerau), das Kloster Weißenau bei Ravensburg, ein Chorherrnstift der Prämonstratenser, dass interessanterweise vom Bregenzerwälder Barockbaumeister Franz Beer von Blaichten 1724 barockisiert wurde. Und – man erinnert sich an Umberto Ecos „Der Name der Rose“, – im 17. Jahrhundert gab es im Kloster einige ungeklärte Todesfälle zu beklagen.

Ein feines Kompendium/Katalog ist zur Ausstellung erschienen, mit Aufsätzen von Tobias G. Natter, Thomas D. Trummer und einer Chronik von Thomas Klagian. Sehr gescheit und sehr lesenswert, allesamt. Besuchen Sie den „Himmel auf Erden“, denn er ist nur für eine kurze Zeit geöffnet!
Thomas Schiretz