Fragwürdiger Zahnarzt: Zweiter Akt im Prozessmarathon eingeläutet

VN / 22.06.2023 • 13:35 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Fragwürdiger Zahnarzt: Zweiter Akt im Prozessmarathon eingeläutet
Der zweite Kläger im Zivilverfahren klagt auf Schmerzengeld und Sanierungskosten in der Höhe von 40.000 Euro. vn/gs

Dutzende Patienten ohne Berufsberechtigung behandelt? Beklagter blieb Verhandlung fern – weil „psychisch nicht in der Lage“.

Feldkirch „Ich habe Blut geschluckt und mich erbrochen“, schilderte eine Patientin ihr Leiden nach der Behandlung durch einen angeblichen Zahnarzt im Vorarlberger Unterland (die VN berichteten exklusiv).

Der Betreffende, zurzeit in der Schweiz wohnhaft, steht seit längerem Mittelpunkt von Ermittlungen der Justiz und des Landeskriminalamtes. Doch weshalb konkret?

<p class="caption">Der Beklagte (r.) mit seinem Vertreter Rechtsanwalt Nicolas Stieger bei einer früheren Verhandlung. <span class="copyright">vn/gs <span class="media-container dcx_media_rtab" data-dcx_media_config="{}" data-dcx_media_type="rtab"> </span></span></p>

Der Beklagte (r.) mit seinem Vertreter Rechtsanwalt Nicolas Stieger bei einer früheren Verhandlung. vn/gs  

Weil ihn die Vorarlberger Zahnärztekammer als „Scheinmediziner“ bezeichnet. Als ein Zahnarzt, der kein Zahnarzt sei. Über den es keine Eintragung als Zahnmediziner bei der Kammer gibt. Weder in Vorarlberg noch sonst wo in Österreich.

Weil 18 seiner Patienten nach der Behandlung teilweise massive gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten.

Und weil das nur die Spitze des Eisberges sein könnte.

Verdacht der Kurpfuscherei

Denn das Landeskriminalamt ermittelt gegen den Vorarlberger wegen Verdachts der Kurpfuscherei, des Betrugs und der Körperverletzung. Nach aktuellem Stand in 16 Fällen von Patienten, die sich einem noch anstehenden Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen haben.

Angeblich die Gebisse zahlreicher Patienten falsch behandelt und geschädigt: Justiz und Polizei ermitteln gegen einen Unterländer. <span class="copyright">symbol/dpa</span>
Angeblich die Gebisse zahlreicher Patienten falsch behandelt und geschädigt: Justiz und Polizei ermitteln gegen einen Unterländer. symbol/dpa

Das zivilrechtliche Parallelverfahren am Landesgericht Feldkirch gegen den Beschuldigten hat bereits begonnen. Hier geht es um Schmerzengeld, Sanierungskosten und Rückforderung der Honorarnoten. Bisher belasten elf Zivilkläger den Beschuldigten.

Am vergangenen Mittwoch war der zweite von ihnen an der Reihe. Der ehemalige Patient klagt über angebrachte Veneers (Verblendschalen aus Keramik), die ausgebrochen waren und ein Präparat ohne medizinische Zertifizierung, welches ihm der Beklagte im Mund platziert habe.  Er würde seither Schmerzen leiden. Zusätzlich mit den Sanierungskosten klagt der Geschädigte den „Zahnarzt“ auf 40.000 Euro.

“Wie ein Chamäleon”

Der Beklagte selbst erschien diesmal nicht bei der Verhandlung. „Weil er dazu psychisch nicht in der Lage ist“, erklärte sein Verteidiger Rechtsanwalt Nicolas Stieger.

Worauf Klagsvertreter Michael Brandauer bei der Zivilrichterin um eine Vertagung der Tagsatzung ersuchte mit der Begründung: „Der Beklagte wechselt seine Verantwortung wie ein Chamäleon die Farbe. Es wäre deshalb unfair, nur meinen Mandanten einzuvernehmen und den Beklagten selbst nicht mit den Aussagen konfrontieren zu können.“

Übrigens behauptete der angeblich falsche Zahnarzt im Vorfeld auch in diesem Fall, den Kläger überhaupt nicht behandelt zu haben. Behandlungen bestreitet er auch in sämtlichen anderen Fällen ab. Womit er die gesamte “Klägergemeinschaft” offensichtlich der Lüge bezichtigt.

Auch Kinder behandelt

Laut Brandauer seien bereits mehr als 160 ehemalige Patienten des Beklagten ermittelt worden. „Darunter auch Kinder, womit für uns die letzte Grenze überschritten wurde.“ Die Dauer des Prozessmarathons sei nicht absehbar. „Seine Behandlungen ohne ärztliche ‚lege artis‘ ziehen sich wie ein roter Faden durch die Causa. Es ging immer um dasselbe. Deshalb könnte man eigentlich alles auf einen einzigen Akt reduzieren“, sagte der Rechtsanwalt.

Da der Beklagte derzeit augenscheinlich nicht verhandlungsfähig sei, schlug Zivilrichterin Sandra Ladner Verteidiger Stieger vor, seinen Mandanten in Hinblick auf das anhängige strafrechtliche Verfahren auf das Recht der Aussageweigerung zu verweisen.

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