Wie sich eine Ukrainerin in Vorarlberg ein neues Leben aufgebaut hat

In Kiew schneiderte Iryna Abramenko (54) früher in ihrem eigenen Atelier Kleider. Nach schwierigen Zeiten und Krieg in ihrer Heimat fand sie in Vorarlberg eine Wohnung und Arbeit in einem Sozialzentrum.
Dornbirn Eigentlich wollte Iryna Abramenko im Jänner 2022 nur kurz nach Vorarlberg reisen, um eine Freundin zu besuchen. Diese hatte sie eingeladen, um sich von einer Krankheit im ländlichen Gebiet zu erholen. Doch dann kam der Ukraine-Krieg, und das Leben der Frau aus Kiew und ihrer Familie sollte sich von einem Tag auf den anderen wie für so viele völlig ändern.

Gerne möchte die Frau mit den kurzen, schwarzen Haaren und den blauen Augen ihre Geschichte erzählen und Danke sagen. “Ich spreche aber noch nicht so gut Deutsch”, meint sie. Im Alltag behilft sie sich immer wieder mit einer Übersetzungs-App am Handy. “Es fällt mir jetzt nicht schwer, ich lebe sehr gerne in Vorarlberg, in Dornbirn”, steht auf dem Display, das sie herzeigt.
An diesem Nachmittag wird sie von ihrer neuen Freundin Nataliya (43) begleitet, die bereits seit 20 Jahren in Vorarlberg lebt und übersetzt. Kennengelernt haben sich die beiden im Diskonter, in dem Nataliya arbeitet. “Es ist schön, zwischendurch die eigene Sprache zu hören. Man hat so das Gefühl, dass man nicht alleine ist”, erklärt die Übersetzerin nach kurzer Unterhaltung mit ihrer Freundin. Generell seien die Ukrainer heimatverbunden, sehr familiär und würden sich gegenseitig unterstützen.

“Kiew ist eine schöne Stadt”, sagt Iryna Abramenko und wischt sich genauso wie ihre Freundin Tränen von den Wangen. Die Geschehnisse sind für die beiden nur schwer zu realisieren. Niemand hätte geglaubt, dass so etwas möglich wäre, sind sich die Frauen einig. In Gedanken sind sie gleichzeitig bei Freunden und Angehörigen in der Ukraine und sind froh, dass die EU in ihrer Heimat hilft.
Ich habe einfach an die Tür geklopft und gefragt, ob es Arbeit gibt.
Iryna Abramenko
Iryna ist geschieden und hat vier erwachsene Kinder. Zwei Töchter leben in Vorarlberg. Eine weitere Tochter, ihr Sohn und ihre Mutter sind in der Heimat geblieben. Sie wurde während der ersten sieben Monate in Vorarlberg von der Caritas unterstützt, wie sie in ihrer Muttersprache erzählt. Die 54-Jährige nahm an einem Deutschkurs teil und fand schließlich über eine Anzeige Arbeit. Zwei Wochen arbeitete sie in einem Restaurant. “Aber das war sehr schwer”, erzählt sie. So klopfte die Ukrainerin an die Tür des Sozialzentrums Senecura in Dornbirn und fand dort eine Stelle in der Reinigung. “Ich hatte dort die Wahl zwischen Küche und Reinigung”, erzählt Iryna.
Die Arbeitsbedingungen seien genauso wie das Team sehr gut. Mithilfe ihrer Vorgesetzten fand sie zudem eine Wohnung für sich und ihre jüngste Tochter (20) in der Nähe der Arbeitsstelle. Eine Erleichterung, da Irynas Dienst bereits früh am Morgen beginnt. “Ich bin so dankbar”, sagt sie.
Vollzeitstelle
In der Ukraine arbeitete die gelernte Schneiderin jahrelang in ihrem eigenen Atelier und fertigte unter anderem Kleidungsstücke für eine prominente Sängerin. Nun arbeitet sie 40 Stunden in der Reinigung. Um eine Wohnung mieten zu können, muss die 54-Jährige Vollzeit arbeiten. Aber die Arbeit lenkt sie auch ab und beruhigt sie.
Im Februar sei sie eine Woche in Kiew gewesen, erzählt Iryna. Während sie von ihren Eindrücken berichtet, beginnen die Tränen erneut zu fließen. Alles was sie möchte, ist glücklich zu sein und in Frieden zu leben. Eine Perspektive in ihrer Heimat sieht sie momentan für sich nicht. Daher hat sie sich hier unterdessen ein neues Leben aufgebaut.
Ukrainische Flüchtlinge in Vorarlberg
– 2308 Kriegsvertriebene aus der Ukraine sind mit Stand 15. Juni in Vorarlberg registriert und untergebracht
– die Unterkünfte sind auf 81 Gemeinden verteilt
– 719 Ukrainerinnen und Ukrainer gehen einer Beschäftigung nach
– 173 ukrainische Flüchtlinge sind beim AMS Vorarlberg vorgemerkt
– 356 ukrainische Kinder und Jugendliche besuchen eine Schule in Vorarlberg