So geht es Olympiasieger Alessandro Hämmerle nach der Seuchen-Saison

Zwei Gehirnerschütterungen während der vergangenen Snowboardcross-Saison setzten dem 29-Jährigen zu, bei der WM blieb er ohne Medaille, die letzten Rennen absolvierte er gar nicht mehr. Wie es „Izzi“ jetzt geht und was er sich für die neue Saison vorgenommen hat:
Schwarzach Es geht bergauf. Bei dem, bei dem es eigentlich berufsbedingt bergab geht. Riskant, spektakulär – und das möglichst schnell. Alessandro Hämmerle klingt bereits deutlich zuversichtlicher, als noch vor Monaten.
Da fehlte der Fokus, der Kopf spielte nicht mit. Zwei Gehirnerschütterungen während der letzten Saison machten dem 29-Jährigen noch länger zu schaffen. Nachdem er bei der WM zu Sturz gebracht wurde, verpasste er auch noch eine Medaille. Die beiden letzten Rennen im Kalender ließ der amtierende Olympiasieger im Snowboardcross in Veysonnaz und Mount St. Anne aus.
Im Schweizer Veysonnaz fuhr „Izzi“ sogar die Qualifikation – und ließ das Rennen trotzdem aus. „Schon beim Hinfahren hat es sich nicht richtig angefühlt. Und das war auch die richtige Entscheidung.“ Das Körperliche sei da nicht das Problem – nur das Risiko sei zu hoch, so Hämmerle weiter. „Es ist, wie wenn du im Fernsehen ein Fußballspiel schaust und für eine Millisekunde geht der Fernseher aus und du stehst da“, sagt er. „Im Leistungssport geht das nicht.“
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Das Arbeiten an Baustellen
Aber – es geht bergauf. Er und sein Team hätten herausgefunden, was man machen könne, damit er wieder zu alter Stärke zurückkehre. Er spricht von Neuroathletik, das sei ein bisschen kompliziert zu erklären. Aber es helfe ihm.
Von April bis Anfang Mai war Hämmerle im Urlaub, Surfen in Costa Rica. Danach begann die intensive Vorbereitung, drei Trainingsblöcke hat er bereits hinter sich gebracht. Und trotzdem hätten die Nachwirkungen der Gehirnerschütterung ihm zu Beginn zu schaffen gemacht. „Das spürst du zwar nicht immer, aber je nach Belastung.“ Die Reha vergleicht Hämmerle mit Baustellen, die man Schritt für Schritt abarbeite. Um die Zeit sinnvoll zu nutzen, gab es für ihn zudem vermehrtes Konditionstraining.
„Mental ist es jetzt eine Motivation für mich. Weil es mich innerlich nervt, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist.“
Alessandro Hämmerle über die letzte Saison
Das Feuer lodert wieder
Hämmerle sucht ohnehin lieber nach den positiven Aspekten. Etwa, dass er neuen Antrieb gefunden habe. „Mental ist es eher Motivation für mich, es nervt mich innerlich sehr, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist“, so der Olympiasieger. Das sei gut für das innere Feuer – das nach dem Gewinn der Olympischen Spiele 2022 etwas weniger wild gelodert habe: „Auch wenn man es sich nicht eingestehen will: Da ist motivationstechnisch erst mal ein bisschen die Luft heraußen. Das ist sicher so ein bisschen der Vorteil aus dieser erzwungenen Auszeit, auch wenn ich es mir anders gewünscht hätte.“
Allzu viel Probleme mache das Mentale mittlerweile nicht mehr. Vor drei Wochen sei er auf Schnee gefahren, alles wie immer. „Dann gab es eine Situation, wo ich mir gedacht habe: ‚Okay, das war eigentlich schon knapp. Du tust schon wieder ziemlich wild‘“, so Hämmerle lachend. Aber das seien mehr die Gedanken, die dann im Lift aufkommen würden. Ansonsten habe er ein „Vollgas“-Denken. Bevor er nicht das Gefühl habe, alles riskieren zu können, gehe er ohnehin nicht an den Start. „Und dann gehe ich All-in, weil alles andere ist zu verkopft, das bringt nichts.“
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Ein neuer Ausgleich
Auch beruflich ergab sich für Hämmerle eine neue Chance. Und das eher zufällig. Seine nunmehrige Chefin – Ex-ÖFB-Kickerin Viktoria Schnaderbeck – kannte er durch gemeinsame Werbeaktivitäten für „Milka“, unbewusst habe sich so ein Bewerbungsgespräch ergeben. Mittlerweile arbeitet er in ihrer Sport-Marketing-Agentur, ist dort für die Akquise von Athleten zuständig.
Er habe einen Ausgleich zum Leistungssport gesucht, so Hämmerle, zuvor sei dies sein Studium gewesen. „Ich habe immer gerne etwas gemacht, das eine gewisse Ruhe ins System gebracht hat.“ Es sei eine coole Aufgabe, auch wenn die „normale“ Arbeitswelt etwas ungewohnt sei. Aber es sei ja auch nicht ganz fremd zu dem, was er bisher gemacht habe.

Testimonial für mehr Bewegung
Für „Marke Vorarlberg“ und die neue Vbewegt App wirbt der Snowboardcrosser aktuell für mehr Bewegung im Alltag, stand deshalb für acht Trainingsübungen vor der Kamera. „Ich glaube, das Video ist ganz cool geworden“, so Hämmerle. Bewegung sei ohnehin etwas, das er unterstütze, speziell, wenn es die breite Bevölkerung anspreche. „Ich glaube, es tut jedem gut, wenn man ein bisschen am Ball bleibt.“
Für „Izzi“ selbst stehen bis Herbst noch zwei Trainingsblöcke an, im Dezember startet die Wettkampfsaison. Die Erwartungen sind klar. Er wolle erst wieder im Wettkampfalltag Fuß fassen, „aber dann eigentlich schon wieder vorne mitfahren.“ Erzwingen könne er zwar nichts, dessen ist er sich bewusst. „Aber wenn alle Puzzleteile zusammenpassen, mache ich mir wenig Sorgen, dass ich vorne mitfahren kann.“ FABIAN BEER