Tractatus-Preisträger Peter Bieri verstorben

Der Schweizer Autor wurde 2014 mit dem renommierten EssayPreis des Philosophicum Lech ausgezeichnet.
Berlin “Nachtzug nach Lissabon” ist längst ein Klassiker der zeitgenössischen Literatur, aber sein Autor, Peter Bieri, hat nie groß im Rampenlicht gestanden. In dem Roman von 2004 ging es um den Altsprachenlehrer Raimund Gregorius, der eines Tages aus dem eingefahrenen Trott ausbricht und sich auf eine abenteuerliche Sinnsuche begibt. Das Buch erzählt von der Poesie und Macht der Sprache. Ein Thema, das sich durch das ganze Schaffen des Autors zieht, der eigentlich Peter Bieri hieß. Ende Juni starb er nach Angaben des Hanser Verlags im Alter von 79 Jahren.
Seine Bekanntheit rührt vom Romanerfolg, aber eigentlich bestand sein Hauptwerk aus philosophischen Textbüchern, Betrachtungen und Essays, die er unter seinem bürgerlichen Namen Peter Bieri veröffentlichte. Romane schrieb er unter dem Pseudonym Pascal Mercier. Er sei sowohl ein literarisch höchst produktiver Philosoph als auch ein philosophisch denkender Erzähler, schrieb die “Neue Zürcher Zeitung” einmal.
Das Roman-Werk von Mercier ist überschaubar. Der Welterfolg “Nachtzug nach Lissabon” war sein drittes Werk. Es erschien 2004 und wurde 2013 mit Jeremy Irons in der Hauptrolle verfilmt. Frühere Werke waren “Perlmanns Schweigen” (1995) und “Der Klavierstimmer” (1998). 2007 gab es noch “Lea. Novelle”. Danach blieb es lange ruhig um Bieri, bis er 2020 mit “Das Gewicht der Worte” seinen fünften und letzten, wieder fulminanten Roman vorlegte.
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Das Werk des Sachbuchautors Bieri ist umfangreicher. Als Philosoph dachte er viel über das Sein nach und die sprachlichen Möglichkeiten, die Ergebnisse verständlich und möglichst fesselnd zu Papier zu bringen. Kein einziges Wort zu verwenden, das nicht jedermann versteht, war sein Anspruch, und das gelang ihm schon 2001 in seinem wissenschaftlichen Hauptwerk “Das Handwerk der Freiheit”. Es folgten zahlreiche Abhandlungen, die unter anderem um die Themen Freiheit, Selbstbestimmung, Sprache und Ausdruck kreisten.
Bieri wurde in Bern geboren. Er orientierte sich nach Deutschland, studierte Philosophie, Anglistik und Indologie in Heidelberg. Er lehrte an verschiedenen Universitäten, zuletzt an der Freien Universität Berlin Philosophie. Er erhielt unter anderem den Marie-Luise-Kaschnitz-Preis (2006) und die Lichtenberg-Medaille der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (2007).
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2014 erhielt Bieri den renommierten Essaypreis des Philosophicum Lech, den Tractatus, für sein beispielgebendes Werk „Eine Art zu leben. Über die Vielfalt der Menschenwürde“. Franz Schuh begründete die Jury-Entscheidung: „Die menschliche Würde existiert hauptsächlich, so lernt man es von Bieri, im Zusammenhang vielfältiger Anforderungen an unser Dasein. Selbst ein veritabler Schriftsteller auch auf literarische Werke verweisend, gelingt es ihm, die Vielfalt der Daseinsweisen, die für die Würde konstitutiv sind, anschaulich zu machen. Als ein philosophischer Essayist in der Nachfolge Montaignes ist Peter Bieri ein würdiger Preisträger des Tractatus 2014.“