Eines Schattens Traum sind Menschen

Bildraum Bodensee präsentiert Arbeiten der Künstlerin Clara Oppel.
Bregenz Das titelgebende Zitat stammt vom griechischen Dichter Pindar (+446 v. Chr.) aus seiner Odensammlung und hinterfragt die Bedeutung eines Sieges oder Erfolges angesichts der Unbedeutsamkeit eines Einzelnen im gesamten Universum. Bei Clara Oppel bildet dieses Memento Mori das sprachliche Klangmaterial für die Installation „Breathing Space“ (2015), bei der 5000 Kalottenlautsprecher auf dem Boden und an den Wänden nach einer zuvor von ihr angefertigten Zeichnung/Plan positioniert worden sind. Es geht um Sound, um Sprache, ihr Fokus ist auf Sprachelemente ausgerichtet, zerstückelt, verdichtet, remixed. Oppel führt uns in Nichtbegreiflichkeiten, die allein, wenn überhaupt, mit unseren Gefühlen fassbar sind.

Es geht um Vorstellungsräume jenseits aller Vorstellung, um Hinterfragung der Wirklichkeit, um Irritationen.

„fade in – fade out“ (2022) ist eine Licht- und Klanginstallation; bei Betreten des Raumes schaltet sich das Licht automatisch ab, und an der Wand entstehen verschiedene Gräser, Blumen (Mohn), übergroße Scherenschnitte mit fluoreszierender Farbe überzogen, die dann in einem hellen Grün im Dunkeln leuchten, und während der visuelle Eindruck verschwindet, tritt der Raumklang, Soundscapes aus der Natur, in den Vordergrund, man hört Vogelgezwitscher, Rauschen eines Baches, oder auch einen Windhauch. Fading away.

Eine interaktive Klanginstallation der besonderen Art ist „zwischen den Stühlen“ (2022). Zwei Stühle, genau vis-à-vis positioniert, laden die Besucher zum Sitzen ein. In einem der Stühle befindet sich ein Kontaktmikrofon, welches die Geräusche der sich hinsetzenden Person abnimmt und verstärkt. Jede noch so geringe Regung wird durch das Mikrofon erfasst und über den Lautsprecher wahrgenommen, die Geräusche des Herumrutschens, das Auf- und Niedersetzen etc., während wir, sollte sich eine Person auf den anderen Stuhl setzen, von dort ein analoges Geräusch wahrnehmen. Effektvoll auch das Triptychon „Sfumato“ (2013). Sfumato bezeichnet eine Technik der Ölmalerei, die vieles verschwimmen lässt und dem Ganzen eine Art Weichzeichner-Effekt gibt.

Während unser Blick bei einem Triptychon vor allem auf das Mittelfeld fixiert ist, bleibt bei Oppel das Mittelfeld leer. Die zwei Flügel sind bestückt mit Lautsprechern, aus einem tönt ein „weißes Rauschen“, aus dem anderen ein „rosa Rauschen“, ein Rauschgeflecht. Durch die fixierte Schallausrichtung befindet sich der Rezipient im schwingenden Raum mit Ausblick auf die leere Mitte, die von ihm selbst „angefüllt“ (durch das allmähliche Verstehen des gesprochenen Satzes) wird. Gesprochene Sätze, besser Aphorismen von Clara Oppel gesammelt und vorgetragen von Migrantinnen, bilden den Hintergrund der Klangskulptur/Lautgedicht „Be One“ (20123), während man mit dem Objekt ohne Ton, der „Schlechten Brille“ (2007) mit den Augen „hören“ muss.
Ästhetik des Widerstands

Clara Oppels Werke sind im Stande, uns in Schwingungen zu versetzen, sie drängen sich nicht auf, sie schafft mit ihren Installationen eine akustische Oase, um dem „urban sound“ des städtischen Verkehrs, Baumaschinen, Baustellen etc. zu entkommen, schafft damit sozusagen eine Ästhetik des Widerstands. Berauschend.
Thomas Schiretz