Landesrat Gantner im VN-Interview: “So ein Fall schmerzt dem bäuerlichen Herz”

Politik / 25.08.2023 • 09:00 Uhr / 9 Minuten Lesezeit
Landesrat Gantner im VN-Interview: "So ein Fall schmerzt dem bäuerlichen Herz"
Landesrat Christian Gantner spricht im VN-Interview über die Vorarlberger Landwirtschaft. VN/Paulitsch

Nach der neuesten Aufdeckung des Vereins gegen Tierfabriken sprach Christian Gantner über die Vorarlberger Landwirtschaft.

Bregenz Die Bilder haben schockiert und die Diskussionen aufs Neue entfacht. Anfang August hatte der Verein gegen Tierfabriken (VGT) einen Landwirt im Bezirk Bregenz angezeigt. Er soll seine Tiere vernachlässigt haben. Es ist nicht der erste Fall in Vorarlberg in diesem Jahr. Die VN haben daher mit dem für Landwirtschaft zuständigen Landesrat Christian Gantner (42) gesprochen.

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Herr Gantner, wie geht es Ihnen damit, solche Bilder wie aus dem Stall in Wolfurt zu sehen?

Christian Gantner: Ich bin ja selbst Landwirt im Nebenberuf. Ich habe acht Kühe, sechs Stück Jungvieh, und weiß durchaus, was Landwirtschaft bedeutet. Natürlich schmerzt so ein Fall dem bäuerlichen Herz in mehrfacher Hinsicht. Einmal, wenn man sieht, wie es diesen Tieren geht, und zum Zweiten, weil dadurch eine Verurteilung für die gesamte Landwirtschaft geschieht.

Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, damit so etwas nicht mehr vorkommt?

Gantner: Ich glaube, dass wir mit dem Tiergesundheitsdienst bereits ein sehr gutes Instrument haben. Wir möchten das aber zum Anlass nehmen, um dieses Kontrollsystem noch zu verfeinern und – das ist schon wichtig – diese Fälle auch noch konsequenter zu verfolgen.

Gantner ist überzeugt vom bestehenden Kontrollsystem.<span class="copyright"> VN/Paulitsch</span>
Gantner ist überzeugt vom bestehenden Kontrollsystem. VN/Paulitsch

Wie sieht das aktuelle Kontrollsystem denn aus?

Gantner: Mit dem Tiergesundheitsdienst werden jährliche Betriebserhebungen vorgenommen, hierfür können auch private Tierärzte beauftragt werden. Dabei wird geschaut, was passt oder wo es Mängel gibt und wo ein Betreuungsbedarf besteht. Daraus wird ein Protokoll erstellt und die Informationen werden uns zurückgespielt. Auf dieser Grundlage erhalten Betriebe, die entsprechende Tierwohlmaßnahmen erfüllen, eine Förderung. Und das sind der allergrößte Teil.

An diesem System gibt es ja durchaus Kritik.

Gantner: Ja, gibt es. Andere kritisieren, dass diese Tiergesundheitskontrolle der jeweilige Haustierarzt macht, der den Landwirten ja auch irgendwo mal wieder etwas verkaufen möchte. Mein bestes Argument dagegen ist, dass das Pickerl beim Auto auch meine Autowerkstatt macht. Die will mir auch wieder mal etwas verkaufen. Also da vertraue ich einfach voll und ganz auf die Tierärzte. Für mich ist das ein gutes Instrument. Wenn jemand ein besseres kennt, das praxistauglich ist, das finanzierbar ist, bin ich offen dafür, aber ich kenne kein besseres.

Es gibt den Vorschlag eines sogenannten Tierschutz-TÜV, also durch eine Bewilligungspflicht ein präventives Tierschutzsystem einzuführen. Was halten Sie davon?

Gantner: Ich behaupte, die Tiergesundheitskontrolle ist bereits unser TÜV, und ich denke nicht, dass man zusätzliche Institutionen schaffen sollte. Wer würde die auch bezahlen? Die aktuellen Kontrollen und die beauftragten Tierärzte bezahlt schließlich das Land.

Bei einem Beitrag in Vorarlberg heute wirkte der Landwirt ziemlich hilflos, Tierarzt Erik Schmid sprach ebenfalls von einer weitverbreiteten Überforderung: Wie kann den Tierhaltern besser geholfen werden?

Gantner: Wir bieten in der Landwirtschaft ein sehr breites Aus- und Weiterbildungsprogramm. Ich glaube, wenn man ein entsprechendes Wissen hat, kann man seinen Betrieb auch besser auf die Gegebenheiten anpassen. Und wenn dann wirklich eine Akutsituation eintrifft, gibt es über die Landwirtschaftskammer den Betriebshelferdienst. Darüber hinaus gibt es auch im sozialen Bereich eine Unterstützung. Ich sage gleichzeitig aber auch: So etwas wird nie eine Dauereinrichtung sein, kann es meiner Meinung nach auch nicht. Das wäre allen anderen gegenüber unfair.

Die Teuerung ist auch an den Landwirten nicht spurlos vorbeigegangen, weiß der Landesrat. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Die Teuerung ist auch an den Landwirten nicht spurlos vorbeigegangen, weiß der Landesrat. VN/Paulitsch

Hat die Teuerung bei der Landwirtschaft denn Spuren hinterlassen?

Gantner: Die Vorarlberger Landwirtschaft arbeitet auf einem sehr hohen Standard des Tierwohls und in Bezug auf die ökologischen Rahmenbedingungen. Jeder, dem Tierwohl und Klimaschutz wirklich wichtig sind, muss bei seinem tagtäglichen Einkauf zu regionalen Produkten greifen. Und da macht es sich der Konsument oft schon auch einfach. Ich bekenne mich zu hohen Tierschutzstandards. Aber ich möchte diese hohen Tierschutzstandards nicht nur in unseren Ställen, sondern ich möchte sie auch in unseren Kaufregalen. Natürlich geht die Teuerung nicht an der Landwirtschaft vorbei. Aber auch schon die wirtschaftliche Entwicklung in der Vergangenheit hat die Landwirtschaft unter Druck gebracht. Das hat bestimmt beim einen oder anderen Landwirt dazu geführt, dass er seinen Tierbestand aufgestockt hat.

Müssen wir früher oder später über eine Obergrenze nachdenken?

Gantner: Der durchschnittliche Milchviehbetrieb in Vorarlberg hat 18 Kühe. In Deutschland sind es 75 und in Dänemark 170. Ich glaube, dass eine Obergrenze nicht die Lösung ist. Weil es in diesem aktuellen Fall und überwiegend in den anderen Fällen kein Stückzahl-, sondern ein Managementproblem ist. Und wenn jemand überfordert ist, kann der auch mit 15 Tieren überfordert sein. Auf der anderen Seite gibt es absolute Vorzeigebetriebe bei uns im Land, die über 200 Stück haben. Wir bekennen uns zu kleinen, strukturierten, bäuerlichen Familienbetrieben und wollen keine industrielle Landwirtschaft. Aber wir werden das Problem nicht mit einer Obergrenze lösen.

In diesem Jahr gab es bereits mehrere Aufdeckungen, und immer ist die Rede von Einzelfällen. Wie passt das zusammen?

Gantner: Ich behaupte nach wie vor, dass es Einzelfälle sind. Wir haben bei uns in Vorarlberg 3000 bäuerliche Betriebe, und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die das zum allergrößten Teil wirklich mit riesengroßem Engagement und auch sehr gut machen. Wir möchten diese Einzelfälle auch nicht schönreden. Es ärgert mich sehr, dass durch solche Einzelfälle die tagtäglich hart arbeitenden Bäuerinnen und Bauern in Missgunst gezogen werden. Deshalb ist es wichtig, dass es auch diese Einzelfälle nicht mehr geben darf.

Wie ist es denn insgesamt um die Vorarlberger Landwirtschaft bestellt?

Gantner: Von den 3000 Betrieben sind rund 500 Bio-Betriebe. Und 98 Prozent der Betriebe wirtschaften nach dem österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL). Kein anderes Land hat so einen hohen Anteil. Wir sind von der topografischen Ausrichtung her sehr stark Grünland-geprägt und das werden wir immer bleiben. Zudem spielen die über 500 Alpen eine wichtige Rolle. 60 Prozent aller österreichischen Streuwiesen sind in Vorarlberg, und die sind sehr ökologisch. Im österreichweiten Vergleich haben wir in Vorarlberg auch die jüngsten Landwirte. 25 Prozent der Vorarlberger Betriebsführer sind unter 40 Jahre. Europaweit sind es zwölf Prozent. Dazu kommt ein vergleichsweise hoher Frauenanteil. Das ist für mich ein positives Signal, das finde ich etwas Besonderes.

Christian Gantner blickt optimistisch in die Zukunft. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Christian Gantner blickt optimistisch in die Zukunft. VN/Paulitsch

Welche Herausforderungen wird es in Zukunft geben?

Gantner: Wir müssen als Landwirtschaft noch mehr kommunizieren, wir müssen in den Dialog treten und unseren Konsumenten noch mehr als Partner sehen. Auf der anderen Seite erwarte ich mir diesen Schulterschluss auch von den Konsumenten. Wir möchten unsere Landwirtschaft aber auch weiter breit aufstellen. In unserer Landwirtschaftsstrategie heißt es “Landwirt.schafft.Leben”. Und darin gibt es das Programm “Landwirt.schafft.Neues”. Damit unterstützen wir Betriebe bei innovativen Ideen. Ich habe wirklich eine große Hoffnung in die Jugend und bin überzeugt, dass sie die Herausforderungen der Zukunft meistern wird.

Sie sind selbst noch jeden Tag im Stall und auf den Feldern im Einsatz. Warum?

Gantner: Weil ich es gerne mache. Weil ich es ein Stück weit auch als Verantwortung sehe. Weil ich stolz bin, Bauer zu sein. Und weil ich für die Vorarlberger Landwirtschaft eine positive Zukunft sehe.

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