Vorarlberger Weißstörche zeigen ungewöhnliches Verhalten

VN / 05.09.2023 • 16:43 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Vorarlberger Weißstörche zeigen ungewöhnliches Verhalten
Walter Niederer beobachtet das Verhalten der Störche im Rheindelta. VN/Rauch, Canva

Experte erklärt, was es damit auf sich hat.

Schwarzach, Höchst Wer aufmerksam unterwegs ist, wird es bereits bemerkt haben. Auf den Wiesen, die sonst von zahlreichen Störchen belagert werden, ist deutlich weniger los. Vereinzelte Tiere sind noch da, daneben stehen ein paar Reiher. Und der Rest? Der hat sich bereits auf den Weg Richtung Süden gemacht, um dort das Quartier für den Winter aufzuschlagen. Alle Vögel machen das aber schon lange nicht mehr.

„Dass ältere Störche auch über den Winter in der Bodenseeregion bleiben, beobachten wir seit ein paar Jahren”, berichtet Walter Niederer, Geschäftsführer vom Naturschutzverein Rheindelta. Heuer gibt es aber eine besondere Situation. Zwei Jungtiere sind aktuell noch in der Umgebung von Altstätten (Schweiz). „Das ist ungewöhnlich”, bestätigt Niederer. Der Sommer sei aber noch nicht vorbei und der Wegzug noch im Gange. Die Naturschützer beobachten die Situation genau.

Jungvögel mit Sendern versehen

Dabei hilft ihnen, dass sie im Juni über zehn frisch geschlüpfte Küken mit Ringen und Sendern ausgestattet haben. Und das bereits zum wiederholten Male. Die Tiere waren alle in zwei Bäumen zwischen Höchst und dem See auf die Welt gekommen. Rund 80 Brutpaare gibt es mittlerweile rund um das Rheindelta.

Die Störche haben sich rund um den Bodensee wieder angesiedelt. <span class="copyright">VN/Steurer</span>
Die Störche haben sich rund um den Bodensee wieder angesiedelt. VN/Steurer
Im Frühjahr waren die Bäume noch kahl und die Nester der Störche bei Höchst gut sichtbar. <span class="copyright">VN/Plesch</span>
Im Frühjahr waren die Bäume noch kahl und die Nester der Störche bei Höchst gut sichtbar. VN/Plesch

Die Biologen können also auf zahlreiche Daten zurückgreifen. Hauptziel der Zugvögel ist Spanien. An den Alpen und den Pyrenäen vorbei geht es bis nach Südfrankreich und auf die iberische Halbinsel. Einer ist derzeit in Andorra. Manche Tiere setzen ihre Reise über die Straße von Gibraltar bis nach Marokko und Mali fort. „Einer ist mal bis nach Gabun geflogen”, erzählt Niederer. Dabei fliegen die Störche nur tagsüber. Die Thermik ist entscheidend dafür, wie schnell sie die Strecke zurücklegen.

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„Wir gehen davon aus, dass Jungvögel mindestens einmal wegziehen”, sagt der Biologe. Sie sind dann in Trupps unterwegs, denn so eine lange Reise muss trotz des Instinkts geübt sein. Die Straße von Gibraltar ist nicht so leicht zu finden. Zudem bringt die Reise Gefahren mit sich. Zwei Jungvögel sind heuer bereits in Spanien ums Leben gekommen. Die genauen Hintergründe kennt Niederer noch nicht. Aber: „Meistens sind Stromleitungen dafür verantwortlich, auch bei uns.” Es könne sein, dass die Vögel einen Schlag bekommen oder in die Leitungen krachen und sich einen Flügel brechen.

Rund 80 Paare brüten in Vorarlberg. <span class="copyright">VN/Steurer</span>
Rund 80 Paare brüten in Vorarlberg. VN/Steurer

Spannend ist für die Naturschützer also, ob die zwei Jungvögel über die nächsten Monate in der Region bleiben. Die Gefahr der Reise wäre dann zwar gebannt, doch ob sie in einem harten Winter genug Futter finden, steht auf einem anderen Blatt. „Deswegen müssen sie eigentlich ziehen”, sagt Niederer. Auch, wenn etwa 60 Prozent das erste Jahr nicht überleben würden.

Walter Niederer beobachtet das Zugverhalten der Vorarlberger Störche. <span class="copyright">VN/Rauch</span>
Walter Niederer beobachtet das Zugverhalten der Vorarlberger Störche. VN/Rauch

Eine andere Flugroute für Störche führt über den Bosporus und die Sinai-Halbinsel in den Sudan. Das sei aber eher der Weg der Ostpopulation, sagt Walter Niederer. Die Störche aus dem Burgenland und aus Niederösterreich haben bisher mit der Population in Vorarlberg, Liechtenstein, der Schweiz und Süddeutschland nichts zu tun. Doch das könnte sich ändern. Niederer berichtet, dass ein Jungvogel jüngst Richtung Salzburg geflogen ist. Wenn die Populationen weiter wachsen und sich irgendwann vermischen, wird für die Wissenschaftler spannend zu sehen sein, welchen Weg deren Kinder dann nehmen.

Vorarlberger Weißstörche zeigen ungewöhnliches Verhalten
Die Zugrouten der Weißstörche. Nabu

Gefahr durch Wetterextreme

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Eine reale Bedrohung sind für Störche hingegen schon jetzt Unwetter-Ereignisse. In Bayern sind bei einem Hagelsturm vor wenigen Wochen mehrere Tiere erschlagen worden. In Vorarlberg ist das zum Glück bisher nicht passiert. Niederer sieht die Gefahr eher zur Brutzeit. Denn die Küken können das Nest nicht verlassen. Wenn es dann hagelt, sind sie den Körnern schutzlos ausgeliefert. Die Erwachsenen bringen sich in Sicherheit. Wenn es im Frühjahr viel regnet und die Jungtiere nur nasses Gras zu essen bekommen, besteht die Gefahr, dass ihre Mägen verklumpen.

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In der Nähe von Leipzig (Deutschland) sind zwei Jungtiere vor Kurzem verendet, weil sie den Bauch voller Gummibänder hatten. Die Eltern hatten die wohl mit Regenwürmern verwechselt. Offenbar waren die Bänder in Biotonnen gelandet und über Kompostieranlagen in die Natur gelangt.

Ein Storch hebt ab. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Ein Storch hebt ab. VN/Paulitsch

„Bei uns geht den Tieren das Futter nicht aus”, sagt Walter Niederer. In einer Hinsicht sind die Störche sogar Profiteure der höheren Temperaturen. Denn die Landwirte fangen früher im Jahr an zu mähen und hören erst später auf. Die Störche sind dann hinter den Mähgeräten her und bekommen ihr Futter wie Regenwürmer, Frösche und Mäuse quasi auf dem Silbertablett serviert. Da lässt es sich auch in Vorarlberg das ganze Jahr aushalten.