Was könnte ein rechtspopulistischer Wahlsieg mit der Gesellschaft machen?

Umfragen schreiben der FPÖ beste Chancen auf einen Sieg bei der nächsten Nationalratswahl zu. Das ist angesichts der plakativen Rhetorik des Parteichefs für die Expertin nicht überraschend.
Wien, Innsbruck Spätestens in einem Jahr wählt Österreich einen neuen Nationalrat, im Herbst 2024 endet die fünfjährige Legislaturperiode. Und laut dem „Wahltrend“ der Austria Presse Agentur – einer Datenbank, in der aktuelle Wahlumfragen zusammengefasst werden – haben die Freiheitlichen rund um Parteichef Herbert Kickl beste Chancen, aus dem nächsten Urnengang als Erstplatzierte hervorzugehen. Einer den Qualitätskriterien entsprechenden Umfrage des Instituts „Unique Research“ für das Nachrichtenmagazin „profil“ zufolge, erreicht die FPÖ aktuell 32 Prozent der Stimmen, dahinter folgen die Volkspartei (24 Prozent) und die Sozialdemokraten (21).
Das heißt: Selbst bei vollständigem Ausnutzen der Schwankungsbreite würde das einen Wahlsieg der FPÖ bedeuten. Nun handelt es sich bei diesen Zahlen nur um Daten aus Umfragen, eine andere (großteils Online durchgeführte) Studie für den „Standard” stellt ein knapperes Rennen in Aussicht, und die Wahl findet voraussichtlich erst in einem Jahr statt. Eine Frage stellt sich aber bereits jetzt: Was würde ein rechtspopulistischer Wahlsieg mit Österreichs Gesellschaft machen?
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„Politische Kommunikation muss nicht immer schlecht sein“
Eine, die zu diesem Thema forscht, ist Uta Rußmann von der Universität Innsbruck. Und gleich zu Beginn des Gesprächs mit den Vorarlberger Nachrichten hält sie fest, dass populistische Kommunikation praktisch bei allen Parteien zu finden sei: „Und das muss auch nicht immer schlecht sein“, sagt die Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Demokratie.

Ein Problem entstehe erst da, wo die populistische Zuspitzung vorrangig zur Provokation eingesetzt werde. Wie es etwa bei FPÖ-Parteichef Herbert Kickl laut Rußmann in der Regel der Fall ist: „Wenn er sagt, dass er eine sehr direkte Sprache pflegt, hat er recht. Er spricht etwa davon, ‚Volkskanzler‘ werden und gegen die ‚korrupte Elite‘ kämpfen zu wollen, er bespielt das Migrationsthema offensiv.“
„Wenn er [Herbert Kickl, Anm.] sagt, dass er eine sehr direkte Sprache pflegt, hat er recht. Er spricht etwa davon, ‚Volkskanzler‘ werden und gegen die ‚korrupte Elite‘ kämpfen zu wollen, er bespielt das Migrationsthema offensiv.“
Uta Rußmann, Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation, Universität Innsbruck
Da werde seine populistische Rhetorik hauptsächlich dazu genutzt, auszugrenzen und Ängste zu schüren – im Wissen, dass ihm das bei der nächsten Wahl hilft: „Dieser Kommunikationsstil ist plakativ und bildlich, das schafft Authentizität und wirkt dadurch“, sagt Uta Rußmann. Angesichts der aktuellen Umfragen müsse es für Herbert Kickl aber darum gehen, seine Werte zu halten: „Es dauert noch ein Jahr. Für ihn wird in den kommenden zwölf Monaten wichtig sein, dass seine Wählerschaft angesichts immer weiter sinkender Wahlbeteiligungen auch wirklich das Kreuz bei der FPÖ macht.“
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Eine Spaltung wie in Ungarn
Und tut sie das wirklich in einem Maße, das Kickl zum Wahlsieger macht, drohe eine Spaltung der Gesellschaft: „Die Politik muss alles dagegen tun“, sagt Rußmann. Ein Beispiel hierfür sei Ungarn: „Ministerpräsident Viktor Orbán hat es geschafft, sein Land komplett zu spalten.“ Das gelinge eben mit einer Rhetorik, wie Kickl sie betreibe: „Für seine Wählerschaft bedeutet ‚Volkskanzler‘ natürlich etwas Positives, weil Hinwendung und Rückkopplung zum Souverän mitschwingen; für die anderen ist das ganz klar, auch historisch, negativ konnotiert.“ Das sei „pure Provokation“.

Aber ist das auch ein Hindernis für zukünftige Koalitionen, etwa mit der Volkspartei, wenn Kickl im Moment keinen Sager gegen die ÖVP-geführte Regierung auslässt? Das glaubt die Expertin nicht: „Man würde eigentlich meinen, dass zugespitzte, konfrontative Aussagen einer späteren Zusammenarbeit entgegenstehen. Die Realität hat uns aber anderes gelehrt“, sagt Uta Rußmann und spricht damit Niederösterreich und Salzburg an, wo ÖVP und FPÖ (wieder) koalieren: „Schlussendlich geht es um den Machterhalt und um die Posten. Und der Wahlkampf ist nun einmal vor der Wahl.”