Rechte auf Papier – Wunden im Herzen

Was Menschen wirklich brauchen – und warum selbst starke Rechte Sehnsüchte nicht stillen
Bregenz Jeder Mensch hat Rechte. Sie liegen schriftlich vor. Sigrid Hämmerle-Fehr könnte stundenlang aufzählen. Doch die Psychotherapeutin erlebt täglich, dass die Lebensgeschichten der Menschen trotz dieser Rechte von tiefen Verletzungen durchzogen sind. Warum ist das so? Die Ökumenischen Gespräche 2025 widmen sich am dritten und letzten Abend der komplexen Landschaft der menschlichen Psyche.
Schriftlich vereinbart
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde am 10. Dezember 1948 verabschiedet. 30 Artikel umfassen die Vereinbarung über Würde, Freiheit und Gerechtigkeit für alle. Am 20. November 1989 einigte sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, die das Überleben, die Entwicklung, den Schutz und die Beteiligung der Kinder weltweit sichern soll.
So viel zur Theorie. Doch was erwarten die Menschen, die sich in verschiedenen Problemlagen an das Institut für Sozialdienste wenden? Auch diese Liste ist lang. Die Frauen und Männer, die sich der Psychotherapeutin Hämmerle-Fehr anvertrauen, „wollen gesehen und gehört werden“. Sie alle sehnen sich danach, gebraucht und geliebt zu werden. Manche streben nach Einfluss, andere suchen Schutz. „Sie wollen das Wichtigste sein, gelobt, befördert, finanziell abgesichert werden. “ Sie möchten eigene Entscheidungen treffen und manche wollen auch ihr Problem behalten dürfen.
Alle haben Verletzungen
Diese Erwartungen sprechen Bände. „Wenn wir Erwartungen äußern“, sagt Hämmerle-Fehr, „erzählen wir etwas über unsere Herkunft – was mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. “ Die Erwartungen sind individuell verschieden. Doch eines ist allen Menschen gemeinsam: Niemand wächst ohne Verletzungen auf. Warum? „Weil wir als Menschen nicht perfekt sind. “ Würde Sigrid Hämmerle-Fehr das Minimum dessen formulieren, was wir brauchen und worauf wir ein Recht haben, dann wäre es dieses:
Sichere Bindung (zumindest eine wichtige Bezugsperson)
Klare Strukturen, Grenzen
Emotionale Nähe
Raum für Entwicklung
Beistand bei Schwierigkeiten
„Wir alle nehmen die erlebten Strukturen unserer Kindheit mit“, sagt die Psychotherapeutin. Noch als Erwachsene kommen wir in Kontakt mit unseren alten Verletzungen. Wir spüren, wo wir empfindlich sind. Wir fühlen es. Das ist wichtig. Denn Gefühle verraten uns viel über uns selbst. Sie regulieren Beziehungen. Sie bringen Prozesse in Gang. Beziehungen sind ein schwieriges Terrain. Sie zu gestalten ist eine hohe Kunst. Wer in Beziehung gehen will, muss mit offenem Ohr und Herzen zuhören können. Beziehungen können ein Leben bereichern … und Schmerzen zufügen. Die Psychotherapie ist kein Zaubermittel. Aber sie kann den Menschen helfen, „schmerzhafte Erfahrungen besser zu integrieren, zwischenmenschliche Erfahrungen neu zu denken“. Sie öffnet die Tür zum besseren Verständnis der eigenen Empfindungen und Verhaltensweisen.
Infozeile: Die Ökumenischen Gespräche werden von der Evangelischen Pfarrgemeinde Bregenz, der Katholischen Kirche, dem Ökumenischen Bildungswerk und den Vorarlberger Nachrichten veranstaltet.
