Das Kopftuch in der Schule. Weswegen es viele nicht mehr möchten

Bevölkerung und die Politik sind mit großer Mehrheit für ein Gesetz, das Kopftücher für Schülerinnen bis 14 verbietet.
Wien, Bregenz Am kommenden Donnerstag wird der Nationalrat mutmaßlich mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Neos und der FPÖ ein Kopftuchverbot für Schülerinnen bis zum 14. Lebensjahr beschließen. Einzig die Grünen haben beschlossen, dem Antrag nicht zuzustimmen. Die Begründung für ein Kopftuchverbot bis zur religiösen Mündigkeit an Schulen: Mädchen sollen frei und selbstbestimmt aufwachsen können, das Kindeswohl ist durch das Kopftuch ebenso gefährdet wie eine gedeihliche Integration.
Für die Grünen ist das Gesetz schon vor einer Überprüfung verfassungswidrig. “Nach Einschätzung von VerfassungsjuristInnen wird die Gesetzesvorlage erneut vor dem VfGH scheitern. Und einem verfassungswidrigen Gesetz können wir nicht zustimmen”, argumentiert die Vorarlberger Grünen-Bildungssprecherin Eva Hammerer (50) im Sinne ihrer KollegInnen im Nationalrat. Nachsatz: “Es darf natürlich kein Mädchen zum Kopftuch gezwungen werden. Dass das trotzdem passiert, ist inakzeptabel.”

Islamistische Influencer
Als “feige” bezeichnet Claudia Gamon (36), Vorarlberger Landesparteiobfrau der Neos, die Position der Grünen. “Schon aus feministischer Perspektive bin ich für dieses Gesetz, das auch anders formuliert und besser begründet ist als jenes für Volksschulkinder vor einigen Jahren.” In Gesprächen mit zahlreichen Lehrpersonen habe sie erfahren, wie islamistische Influencer mit erzkonservativen Auslegungen des Islam ihren Einfluss in der Schule geltend machen würden. “Das darf man nicht kleinreden. Beim Kopftuch schwingen solche Haltungen mit.”

Der Schutz der Mädchen
Schullandesrätin Barbara Schöbi-Fink (64, ÖVP) findet es wichtig, “alles zu tun, damit Mädchen in ihrer Selbstbestimmung geschützt werden”. Sie befürworte den Gesetzesantrag von Integrationsministerin Claudia Plakolm (30, ÖVP). Skepsis äußert sie bezüglich der Umsetzung des Vorhabens. “Es wird schwierig sein, dieses Gesetz dann auch umzusetzen. Wobei der Schutz der Mädchen natürlich an erster Stelle stehen muss.”

In ihrer Haltung bestätigt sieht sich die FPÖ-Bildungssprecherin im Landtag, Andrea Kerbleder (49, FPÖ): “Wir Freiheitliche setzen uns seit Jahren für ein Kopftuchverbot an Schulen ein. Wir sehen das Kopftuch als Hemmnis einer freien und selbstbestimmten Entwicklung für Mädchen, als auch als Integrationshindernis. Wir wollen ein generelles Kopftuchverbot an unseren Schulen: für Schülerinnen und Lehrerinnen.”

Mehraufwand
Der Vorarlberger Bildungsdirektor Heiko Richter (53) will die politische Dimension eines möglichen Kopftuchverbots an den Schulen nicht kommentieren. “Das ist nicht meine Aufgabe. Für uns ginge es um die Umsetzung der Vorgaben des Ministeriums. Der Fahrplan des Umgangs mit Verstößen gegen das Gesetz ist ja bekannt. Zuerst wird an der Schule versucht, eine Lösung herbeizuführen. Gelingt das nicht, gehen die Fälle an die Bildungsdirektion. Sicher ist: Ein Mehraufwand an den Schulen, bei uns und bei der Bezirkshauptmannschaft, wäre zu erwarten.”

Bei wiederholtem Widerstand gegen das Kopftuchverbot drohen Verwaltungsstrafen bis zu 1000 Euro.
Tränen und Hoffnung
Wie unterschiedlich die Reaktionen unter Kopftuch tragenden Mädchen an Schulen sind, verdeutlicht ein Erlebnis von Mittelschuldirektorin Sabine Müller (56) von der Mittelschule Lustenau Kirchdorf. Dort sind knapp zehn Prozent der Schülerinnen Kopftuchträgerinnen. Müller: “Ich habe mich wegen eines drohenden Kopftuchverbots mit zwei muslimischen Mädchen unterhalten. Die eine ist sofort in Tränen ausgebrochen. Die andere hat mir entgegnet: ‚Heißt das, dass ich dann wirklich kein Kopftuch mehr im Unterricht tragen muss?‘ Das kann man natürlich schon entsprechend interpretieren.”

In Kraft treten soll das Kopftuchverbot an Schulen für Mädchen bis 14 im kommenden Schuljahr. Vorausgesetzt: Der Verfassungsgerichtshof gibt dafür grünes Licht.