Die Pflege wird multikulturell
Durchmischung erfolgt nur langsam. Bedarf an Pflege und Betreuung steigt.
Schwarzach. (VN-mm) Die Medizin ist es bereits, die Pflege wird es langsam, nämlich multikulturell. „Wir werden diese Leute auch dringend brauchen“, sagt Beate Halbeisen, Landesvorsitzende des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV). Derzeit vielfach noch ein großes Hindernis ist die Anerkennung der Ausbildung. Halbeisen erzählt von einer russischen Pflegerin, die 700 Stunden in Theorie und Praxis nachholen muss. „Deshalb drängen wir auf ein EU-weites einheitliches Ausbildungssystem. Das würde die Personalrekrutierung vereinfachen.“ Die Forderung kommt nicht von ungefähr. Allein Vorarlberg benötigt bis 2020 an die 300 zusätzliche Diplompflegekräfte.
Osteuropäische EU-Länder
Laut Statistik Austria haben derzeit 18 Prozent der Pflegerinnen und Pfleger in Österreich Migrationshintergrund. Zu finden sind sie hauptsächlich im ambulanten Bereich. Diesen decken überwiegend Frauen aus osteuropäischen EU-Ländern ab. Beim Betreuungspool etwa sind inzwischen 2000 selbstständige Personenbetreuerinnen registriert. 300 von ihnen haben ihren Hauptwohnsitz in Vorarlberg. „Die anderen Frauen kommen aus Polen, Rumänien, der Slowakei und Tschechien“, listet Geschäftsführer Mag. Harald Panzenböck die wichtigsten Herkunftsländer auf. Der Bedarf an Betreuungskräften entwickle sich nach oben, bestätigt auch Panzenböck. So stieg die Zahl der Betreuungstage von 2011 auf 2012 um 22,8 Prozent (78.056). Mit Stichtag 31. 12. 2012 gab es 249 laufende Aufträge mit durchschnittlich 1 bis 2 betreuungsbedürftigen Personen pro Arbeitsverhältnis.
Pensionierungswelle
In der Langzeitpflege sind Schlüsselkräfte mit migrantischem Hintergrund ebenfalls noch die Ausnahme. „Es gibt sie, aber nur vereinzelt“, sagt Philipp Graninger, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Heim- und Pflegeleiter. Er hielte es für wichtig, mehr junge Leute mit Migrationshintergrund in die Pflegeausbildung zu bringen. Auch, weil die Zahl der Heimbewohner mit ausländischer Herkunft steigt. Außerdem rolle ab 2016 eine große Pensionierungswelle auf den Pflegebereich zu.
Zäh gestaltet sich die Durchmischung an den Gesundheits- und Krankenpflegeschulen. Kaum ein Thema ist die Diplomausbildung. „Am ehesten gibt es noch Bewerbungen für die einjährige Pflegehelferausbildung“, berichtet der Schulleiter von Feldkirch, Dr. Guntram Rederer. Angesprochen zeigen sich Jugendliche aus Ex-Jugoslawien, weniger jedoch junge Leute türkischer Abstammung. Wer es durch das Aufnahmeverfahren schafft, legt sich dann aber ordentlich ins Zeug. „Diese Schüler sind sehr, sehr tüchtig“, lobt Rederer.
Erleichterte Kommunikation
Bregenz freut sich ebenfalls über jeden Bewerber mit migrantischem Hintergrund. „Aus drei Gründen“, wie Geschäftsführer Mag. Reinhard Schiemer erklärt: „Zum einen können Kommunikationsbarrieren in Gesundheitseinrichtungen bei mehrsprachigem Pflegepersonal leichter überwunden werden. Zum zweiten profitieren alle Schüler von einer gemeinsamen Ausbildung, weil das Wissen um kulturelle Vielfalt eine wichtige Voraussetzung für ein von Verantwortung geprägtes Weltbild darstellt, und schließlich kann sich unser Bildungsauftrag nicht nur auf die Versorgung Vorarlbergs beschränken.“
Deutsch als Problem
Aktuell werden 10 Schülerinnen bzw. Schüler mit ausländischen Wurzeln ausgebildet. Auch unter den 200 Bewerbungen finden sich zahlreiche „ausländische Familiennamen“. Anhand derer lassen sich 45 Bewerber mit Migrationshintergrund identifizieren. Das entspräche einem Anteil von 22,39 Prozent. Ungeachtet der Ziele sei eine ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache allerdings Grundvoraussetzung. „An dieser Anforderung scheitern leider nicht wenige Interessenten bei der ersten Kontaktaufnahme“, bedauert Reinhard Schiemer.
An den sprachlichen Anforderungen scheitern leider nicht wenige Interessenten.
reinhard schiemer
Spätestens ab dem Jahr 2016 rollt eine große Pensionierungswelle auf den Pflegebereich zu.
Philipp Graninger, LTG. Heimpflege