Der Amazonas darf in der Öko-Enzyklika nicht fehlen

Bischof Erwin Kräutler steuert indigene Frage zum nächsten Papstschreiben bei.
Rom. (VN-tm) Papst Franziskus (75) wird seine zweite Enzyklika der „Ökologie des Menschen“ widmen. Neben Kardinal Peter Turkson (65) wird auch Bischof Erwin Kräutler (74) daran mitarbeiten. Der Träger des Alternativen Nobelpreises hat am Freitag Papst Franziskus im Zuge einer Sonderaudienz im Vatikan die Situation seiner Diözese Xingu vorgetragen. Am Amazonas betreut Kräutler ein Bistum, das fast so groß ist wie Deutschland. Hier leben rund 400.000 Menschen, 286.000 gehören der katholischen Kirche an. Kräutler hat gerade mal 28 Priester zur Verfügung.
Im Gespräch mit dem ersten Papst aus Lateinamerika erörterte der aus Koblach stammende Russ-Preis-Träger einerseits seinen Kampf gegen das riesige Kraftwerksprojekt Belo Monte, andererseits die Herausforderungen der Seelsorge am 2000 Kilometer langen Nebenfluss des Amazonas. Neben den ökologischen und sozialen Problemen in seinem Bistum kam auch der Priestermangel zur Sprache. „Das habe ich auch dem Papst gesagt, dass die Leute Sehnsucht nach der Eucharistie haben“, so Kräutler.
Aufruf: „Kühne Vorschläge“
„Die ist eben tief drin im Herzen dieser Menschen; sie haben nur Wortgottesdienste, und das unterscheidet sie dann kaum von irgendwelchen protestantischen kirchlichen Gemeinschaften. Aber es gibt schon Chancen, dass sich das ändert, und der Papst hat zu mir gesagt: Als Bischöfe sollten wir mutige Vorschläge machen, kühne Vorschläge“, bekundete Kräutler. Die Basisgemeinden am Rio Xingu werden überwiegend von Frauen geleitet. Eingehend informierte Kräutler den Papst aus Buenos Aires über das Kraftwerksprojekt Belo Monte, für das die steirische Firma Andritz die Turbinen liefert. Über drei Talsperren soll vor der Haustür von Kräutlers Bischofssitz in Altamira der Fluss zu zwei Stauseen mit einer Gesamtfläche von etwa 516 Quadratkilometer aufgestaut werden; das entspricht in etwa der Größe des Bodensees.
Massenhafte Umsiedelung
Nach offiziellen Angaben müssen 20.000, nach Angaben der Staudammgegner bis zu 40.000 Menschen umgesiedelt werden. Viele davon sind Indigene, die fernab ihrer bisherigen naturnahen Lebensweise in Betonbehausungen gepfercht werden. Für die Fertigteilhäuser mit neun Zentimeter dünnen Betonmauern gibt die Kraftwerksgesellschaft fünf Jahre Garantie – wohl wissend, dass die hohe Luftfeuchtigkeit den Beton im Gegensatz zu den ortsüblichen Baumaterialien Holz oder Ziegel bald angreifen wird. Dennoch: Mit einer installierten Leistung von mehr als elf Gigawatt soll so das leistungsmäßig drittgrößte Kraftwerk der Welt entstehen. Die Baukosten werden auf umgerechnet acht Milliarden Euro geschätzt. Die ökologischen Folgen sind furchtbar. Dem Rio Xingu gehen heute schon die Fische aus. Ein Drittel der 90.000-Einwohner-Stadt Altamira wird überflutet. Für Kräutler ist es nur eine Frage der Zeit, bis Seuchen wie das berüchtigte Dengue-Fieber ihren Tribut fordern werden.
All das hat der austro-brasilianische Bischof dem Papst auseinandergesetzt. Er stieß auf offene Ohren. Beide kämpfen sie schließlich gegen die Armut und für die Bewahrung der Schöpfung. So wird die nächste Enzyklika des Papstes das Thema „Ökologie“ behandeln. Zusammen mit Kardinal Peter Turkson, dem Leiter des vatikanischen Dikasteriums Justitia et Pax, wird Kräutler bei der Erarbeitung des Textes mithelfen. „Denn der Amazonas darf in einer solchen Enzyklika nicht fehlen“, sagt Kräutler. Er wird die indigene Frage und die verheerende ökologische Lage im hochsensiblen Amazonasgebiet einfließen lassen.

Stichwort. Enzyklika
Der Ausdruck Enzyklika kommt aus dem griechischen „enkyklios“. Das bedeutet „im Kreis laufend“. Eine päpstliche Enzyklika ist also als Rundschreiben an die Bischöfe des Erdkreises gedacht und wendet sich an die ganze Kirche. Manche Enzykliken, etwa die Friedensenzyklika Papst Johannes XXIII. von 1963, sind nicht nur an die Gläubigen, sondern „an alle Menschen, die guten Willens sind“ gerichtet.
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