Bern überprüft drei Atomkraftwerke
AKW Mühleberg wird fünf Jahre vor Ende immer mehr zum Problemfall.
Bern. (VN-tm) Die Schweiz hat drei ihrer fünf Atomkraftwerke vorübergehend abgeschaltet. Sie wurden für die Jahresrevision und das Auswechseln von Brennelementen vom Netz genommen. Die Arbeiten werden vier Wochen dauern.
Im 30 Jahre alten Kernkraftwerk Leibstadt machen sich 1000 zusätzliche Arbeitskräfte an Überprüfungen. Ein Fünftel der 648 Brennelemente wird ausgewechselt. Auch der 42 Jahre alte Druckwasserreaktor Beznau 2 in Döttingen wird revidiert.
Im AKW Mühleberg, dessen Siedewasserreaktor 1972 ans Netz ging, müssen 36 der 240 Brennelemente ausgetauscht werden. Die 345 Mitarbeiter im Atomkraftwerk nahe Bern werden bei diesen Arbeiten laut Betreiberfirma BKW durch rund 700 externe Fachkräfte unterstützt. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI führt den ganzen August über zahlreiche Überprüfungen innerhalb und außerhalb des Reaktordruckbehälters durch. Schließlich geht der Reaktor in seinen 42. Betriebszyklus. Das AKW Mühleberg soll bekanntlich bis 2019 weiterlaufen und erst dann endgültig vom Netz genommen werden.
Auch außerhalb der jeweiligen Anlagen ist das ENSI derzeit mit der Analyse von Gefahren befasst. Drei Jahre nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima haben die Betreiber der Kernkraftwerke Beznau, Gösgen, Leibstadt und Mühleberg nun den ersten Teil der Dokumente zur Beherrschung von extremen Wetterbedingungen eingereicht. Die Ende Juni 2014 eingelangten sicherheitstechnischen Nachweise behandeln die Gefahren von Tornados, Starkregen und Schneehöhen. Die Nachweise zu extremen Luft- und Flusswassertemperaturen werden Ende des Jahres nachgereicht.
Die Katastrophe von Fukushima ereignete sich nach einem Seebeben. 15 Meter hohe Tsunamiwellen gaben den Reaktoren den Rest. Das Kühlsystem fiel aus, Brennstäbe schmolzen. Die Schweiz will seit damals keine neuen Atomkraftwerke mehr bauen und die bestehenden nach Ablauf ihrer Betriebszeit stilllegen. Stimmen von außen, wie etwa die Vorarlberger Forderung, den Reaktor Mühleberg rascher vom Netz zu nehmen, blieben ungehört. Dabei macht Mühleberg zunehmend Probleme. Die Betreiberfirma BKW rechnet damit, dass 86 Stellen im AKW bis 2020 neu besetzt werden müssen. Aber wer will schon in einem AKW arbeiten, das ab 2019 abgebaut wird? „Wir müssen etwas machen, um die Leute behalten zu können“, beteuerte Konzern-Chefin Suzanne Thoma im Schweizer Fernsehen. In anderthalb Jahren will sie Pläne vorlegen.
Notfallpläne in Arbeit
Auch die Bevölkerung im Umland muss sich gedulden. Im Licht der japanischen Reaktorkatastrophe versprach Bundesrat Ueli Maurer 2011 eine rasche Überarbeitung der Notfallplanung. Heute sind die Arbeiten noch immer im Gang. Rechtliche Grundlagen fehlen. Die Kantone sind zu nichts verpflichtet. Dabei liegt die Schweizer Hauptstadt in der sogenannten Zone II, die den Umkreis von 20 Kilometern des Atomkraftwerks Mühleberg umfasst. In diesem Gebiet leben 500.000 Menschen. Gegenwärtig sagt ihnen ihr Kanton, sie sollen im Notfall am besten zu Hause bleiben. Nur für die 3200 Menschen im Umkreis von drei Kilometern existiert ein Evakuierungsplan, der stark darauf setzt, dass die Menschen mit dem eigenen Pkw flüchten. Die anderen holt das Postauto, so die Kantonsregierung.