Wir-Qualitäten sind Megatrend

Vorarlberg / 30.01.2015 • 21:55 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Lebensqualität wird neu definiert: Weniger Güterkonsum und damit weniger Ressourcenverbrauch, mehr freie Zeit für Tätigkeiten jenseits der Erwerbssphäre, mehr Qualität öffentlicher Güter, die derzeit durch die steigende Verschuldung durchkreuzt wird, dies wären Ziele einer Postwachstumsgesellschaft. Davon ist der Nachhaltigkeitsexperte Hans Holzinger, Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg, zutiefst überzeugt. Was zur Folge hat, dass sich vieles verändern wird: die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Art, zu leben und zu denken. Die innovative und bestimmende Kraft für eine zukunftsfähige Entwicklung kommt also von innen und hängt wesentlich vom Zusammenhalt und der Kooperationsfähigkeit der Menschen ab. „Ichlinge“ haben ausgedient. Stattdessen keimt ein Wir-Gefühl auf. Alte Muster funktionieren nicht mehr.

Der Appetit der Mutbürger auf Mitgestaltung des Umfelds steigt, hat in Vorarlberg das Insel-Dasein längst verlassen. Besonders stark macht sich die Lust auf Beteiligung in Kommunen – Städten ebenso wie Dörfern – bemerkbar. „Die aktive statt reaktive Gemeindeentwicklung ist eine Antwort auf das schwindende Vertrauen in die Politik, Gruppen sind klüger als Einzelne, also die Schwarmintelligenz“, postuliert Dr. Kriemhild Büchel-Kapeller vom Büro für Zukunftsfragen im Landhaus. Über die Köpfe der Menschen hinweg läuft nichts mehr. Zahlreiche Beispiele sind Zeugnis dafür. Am Arlberg etwa hat sich die Initiative „Netzwerk.Lech“ gebildet. Bürgermeister Ludwig Muxel hält deren ehrenamtliche Arbeit für enorm wichtig. Lech steht für Tourismus und Gästeströme aus aller Welt. Für Einheimische aber möchte dieser Ort „Dorf“ sein. Sozialkapital und Ideen-Schatz sind reich.

Dort, wo die Menschen wohnen und im günstigen Fall auch arbeiten, bilden sich aktive Gruppen, die eine breite Basis haben sollen. Der Gewinn liegt in mehr Miteinander statt Gegeneinander. Identität und Wir-Gefühl werden gestärkt. Als Stufen dieser Bürgerbeteiligung nennt Büchel-Kapeller transparente Information, Mitgestaltung, wo möglichst Mitentscheidung, und vieles selbst organisiert. In Bregenz funktioniert das (noch) nicht. Im einwohnerstärksten Stadtteil Vorkloster mit hohem Migranten-Anteil wollen Engagierte seit Langem eine Kernzone für mehr Lebensqualität, doch sie wurden von den Rathaus-Mächtigen mit der zuständigen Verwaltung immer wieder vertröstet. Jammern und Resignation dominieren das Stimmungsbarometer, denn Quartiersentwicklung konzentriert sich auf die klassische Innenstadt. Die Initiativenarbeit im Vorkloster geht weiter. Statt Ohnmacht soll ein Klima gemeinsamer Handlungsfähigkeit heranwachsen. Bewegen wir Menschen statt Papier. Voraussetzungen sind Eigenverantwortung und innere Stärke trotz Rückschlägen.

,Ichlinge’ haben ausgedient. Stattdessen keimt ein Wir-Gefühl auf. Alte Muster funktionieren nicht mehr.

marianne.mathis@vorarlbergernachrichten.at
Marianne Mathis ist freie Journalistin.