Sprachpakete
Als unser Sohn noch ein kleines Kind war – lange ist das her – fragte er meine Frau: „Wenn ich einmal groß bin, gibt es dann immer noch das Sparpaket?“ Das Paket hat ihn beunruhigt. Die Erwachsenen sprachen davon wie von nichts Gutem, von etwas, das noch unschöner war, als es aussah. Inzwischen ist das Sparpaket unser ständiger Begleiter, noch immer weiß niemand so recht, was drin ist bzw. was eben nicht drin ist, welche Einsparung sich in ihm verbirgt. Andere Pakete sind dazugekommen, manche davon sind sogar gänzlich unsichtbar, wie das Transparenzpaket, dessen Nichts auch noch durchsichtig verpackt worden ist.
Eine österreichische Spezialität aber ist das Sprachpaket, in dem man alle Dinge so verpacken kann, dass sie unsichtbar werden und trotzdem jeder versteht, was damit gemeint ist. Besonders gut geht das in der Grauzone von Ressentiment und Politik. Das funktioniert dann so: Das Verfassungsgericht stellt fest, dass die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare bei der Adoption von Kindern unserer Verfassung widerspricht und die Familienministerin erklärt, dass sie dieser Erkenntnis folgen wird. Und dass das in der Realität ohnehin egal sei, denn die Wartelisten seien lang. Man kann also gleichgeschlechtliche Paare immer wieder so weit nach hinten setzen, dass sie eh nicht drankommen. Die Innenministerin will nun die unabhängige Rechtsberatung von Asylwerbern lieber durch eine Rechtsberatung durch das Innenministerium ersetzen. Diese neue Rechtsberatung soll das Angebot für die Asylwerber „erweitern“. Asylwerber sollen also das „Recht“ bekommen, sich vom Innenministerium beraten zu lassen, wenn das Innenministerium sie abschieben will.
In Schulen kommt es häufig vor, dass Eltern mit den Lehrern nicht kooperieren, ihren Kindern bestimmte Kleidungsstücke aufzwingen oder verbieten, und sehr viele junge Machos haben, wie auch nicht selten ihre Eltern, offenkundig Probleme damit, die Autorität von Frauen anzuerkennen. Auch in meinem Rotary-Club werden immer noch keine Frauen aufgenommen. Im Club gibt es dafür originelle Sprachpakete. Einige Landeshauptmänner haben nun einen neuen Straftatbestand erfunden, der auf diese Delikte angewendet werden soll: die sogenannte „Integrationsunwilligkeit“. „Einheimische“ dürfen also auch weiterhin Frauen oder gleichgeschlechtliche Paare oder Lehrer verachten, während Migranten nur als Vorzeige-Österreicher tolerabel sind.
Ein solcher Vorzeige-Österreicher ist freilich auch der junge Mann, der vor zwei Wochen mit einer Gruppe Salafisten das Friedensgebet auf dem Dornbirner Marktplatz stören wollte. Als Einheimischer früher in der rechten Szene aktiv, ist er nun konvertiert und als radikaler Islamist unterwegs. Das ist doch wahre Integration, oder? Und das gänzlich unverpackt.
Inzwischen ist das Sparpaket unser ständiger Begleiter.
hanno.loewy@vorarlbergernachrichten.at
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
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