Adoptivkind ist kein Wunschkonzert

Mit Adoptivkind Yoseph ist die sechsköpfige Familie Volger komplett.
Götzis. „Du musst brauner werden, Papa!“, sagt Yoseph und lacht. Der aufgeweckte Bursche mit Rasta-Mähne und schokoladenbraunen Augen ist acht Jahre alt und stammt aus Awassa in der Nähe von Addis Abeba, Äthiopien. Sein Papa ist ein uriger Götzner, weit entfernt davon, jemals so braun zu werden wie sein Adoptivkind.
Karin und Dietmar Volger haben drei leibliche Jungs. Mit Sebastian (19), Jonas (17) und Linus (15) wäre die Familie eigentlich mehr als komplett gewesen. Warum ein Adoptivkind?
Brücke nach Äthiopien
Karin Volger arbeitete als junges Mädchen für ein Hilfsprojekt in Indien – in einem Dorf, wo die Menschen noch nie Weiße gesehen hatten. Irgendwie haben sie Land und Leute nicht mehr losgelassen, sogar ihre Hochzeitsreise führte das Paar nach Tamil Nadu. Die Familienplanung gelang wie im Bilderbuch mit drei gesunden Kindern. Trotzdem war der Wunsch nach einem Adoptivkind immer latent da, aber aus verschiedenen Gründen aus Indien nicht möglich.
Über den Verein „Brücke nach Äthiopien“ (www.bruecke-nach-aethiopien.at) gelangte die Familie Volger an die nötigen Informationen. „Wir haben uns lange überlegt, ob es richtig ist, ob so ein Kind zu unseren eigenen passt, ob wir ihm das bieten können, was es braucht“, erinnert sich Karin Volger. „Denn ein Adoptivkind ist kein Wunschkonzert – man muss es so annehmen, wie es ist.“ Nach unzähligen Behördengängen und einem dicken Akt voller Informationen über die Antragsteller kam endlich der positive Bescheid und damit der Start in eine eineinhalbjährige Warteschleife.
Bande zu den Brüdern
Dann der Anruf Ende Mai 2007: „Ihr Kind ist da!“ Die aufgeregte Familie reiste geschlossen nach Äthiopien, um Yoseph abzuholen. Er war als drei Wochen alter Säugling am Josefitag, in Lumpen gehüllt, vor dem Mutter-Teresa-Orden abgelegt worden. „Wir warteten in einem Vorraum, das Gitter ging auf, und die Kinder wurden nacheinander von den Schwestern hereingetragen“, erzählt Yosephs Mutter. „Dieser besondere Moment lässt sich kaum beschreiben.“
Yoseph war 16 Monate alt, sprach nicht, war mager, aber sonst sah er gesund aus. In der ersten gemeinsamen Nacht blieb das Gitterbett leer: Yoseph schlief bei seinen drei Brüdern im Bett – und das tut er manches Mal heute noch.
Geliebtes Nesthäkchen
Inzwischen spricht Yoseph Vorarlberger Dialekt, ist ein beliebter Mitschüler, spielt Tennis und Schlagzeug und liebt Breakdance. „Der Rhythmus liegt ihm im Blut“, weiß Papa Dietmar. Er hatte sich vor einiger Zeit auf Spurensuche nach der leiblichen Mutter gemacht, sie aber nicht gefunden. „Damit wir antworten können, wenn Fragen kommen“, sagt er. Noch bleiben bohrende Fragen in diese Richtung weitgehend aus, vielleicht auch, weil alle ganz offen damit umgehen: „Wir schließen seine Herkunftsmutter in unser tägliches Abendgebet ein und schicken Bussis nach Äthiopien.“
Dieser besondere Moment lässt sich kaum beschreiben.
Karin Volger
Informationen
319 Kinder wurden 2013 in Österreich adoptiert: Eine Inlandsadoption kostet 5000, eine Auslandsadoption 15.000 Euro. 266 Kinder und Jugendliche stammten aus Österreich, der Rest verteilt sich auf die ganze Welt. Das Höchstalter liegt bei den Frauen bei 43 Jahren, bei Männern bei 45 Jahren. Das Paar darf nicht mehr als zwei eigene Kinder haben.
Infos unter www.help.gv.at, www.vorarlberg.at
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