Den Augenblick mit Liebe füllen

Muttertag, ein wichtiges Fest auch in unserer Zeit
Obwohl der Muttertag kein altes liturgisches Fest ist, so hat er doch zutiefst religiöse Wurzeln. Mütterlichkeit ist doch auch ein Bild für Gott. Wir sind es gewohnt, Gott immer als Vater anzusprechen. Besonders aber im Bild der Mütterlichkeit leuchtet uns der liebende Gott auf. Ohne Mütterlichkeit würden wir nicht leben, ohne sie werden wir nicht überleben.
Der Mutterschoß schenkt Leben
Mich hat beeindruckt, dass im Hebräischen das Wort Barmherzigkeit, „rächäm“ heißt, dieses Wort steht in seiner konkreten Bedeutung auch für Mutterschoß. Rächäm, Barmherzigkeit ist der Mutterschoß, aus dem geglücktes und neues Leben wächst, die Barmherzigkeit ist Mutter des Lebens.
Die Mutter und mütterliche Menschen, die für Barmherzigkeit stehen, sie hören zu und lassen uns dazugehören
Eine Mutter nimmt uns immer wieder auf, auch wenn wir uns einmal zu weit entfernt haben, auch wenn wir einmal Wege gegangen sind, die nicht recht waren. Sie schenkt immer wieder neuen Anfang, sie öffnet die Türen, auch wenn wir sie zugeschlagen haben.
Die Mütterlichkeit schenkt Worte, die trösten, aufmuntern, die erzählen und beruhigen
Oft sind es nicht einmal die Worte, vielmehr ist es der liebende Tonfall, der uns das Zuhause schenkt. So meint Christine Busta:
Nicht, was die Mutter sagt, beruhigt und tröstet die Kinder. Sie verstehen’s zunächst noch gar nicht.
Wie sie es sagt, der Tonfall, der Rhythmus, die Monotonie der Liebe in den wechselnden Lauten öffnet die Sinne dem Sinn der Worte, bringt uns ein in die Muttersprache.
Eine Mutter geht immer ein Stück Weg mit uns
Auch wenn wir weiter weg wohnen, vielleicht in einem andern Land, vielleicht in andern Gedankenhäusern, die sie so gar nicht versteht, ist die Mutter mit ihren Gedanken bei uns. Ich glaube, der Wunsch jüdischer Eltern an ein Kind lebt in vielen Müttern.
Was immer dir in deinem
Leben geschehen wird,
ob du erfolgreich sein wirst oder nicht, ob du berühmt werden wirst oder nicht,
ob du gesund bleiben wirst oder nicht – sei immer
dessen eingedenk,
dass deine Mutter und ich dich über alles lieben.
Mütter sind Menschen, denen wir vertrauen können, denen wir vieles anvertrauen können
Solche Menschen brauchen wir, sie sind oft der letzte Rettungsanker.
Was Anne Frank an den Beginn ihres berühmten Tagebuchs geschrieben hat, dürfen wir vielen Müttern sagen, und wir wissen, dass sie es auch erfüllen.
„Ich hoffe, dass ich dir alles anvertrauen kann, wie ich es bisher noch niemals konnte, und ich hoffe, dass du mir eine große Stütze sein wirst.“
So wollen wir den Müttern danken
Sie schenkten uns das Leben und ließen uns immer wieder aufleben, begleiteten unsere ersten Schritte und dann noch viel mehr, sie haben uns aufgefangen, wenn wir stürzten, sie hörten unsere Worte und haben uns viel erzählt, sie haben uns beigebracht, dass Worte verletzen können, sie haben mit uns gesungen, Sie führten uns auf Blumenwiesen und haben nicht auf die Uhr geschaut. Sie haben für uns Leben bedeutet und dieses mit Liebe gefüllt.
Mütter füllen die Punkte
unseres Lebens mit Liebe
Franz Xaver Van Thuan, der ehemalige Erzbischof von Saigon, wurde am Tag nach Mariä Himmelfahrt von den Vietkong gefangen genommen. In seinem Gefängnis schrieb er: Ich werde nicht warten, um etwas wirklich Großes zu vollbringen, ich lebe in diesem Augenblick und werde ihn mit Liebe füllen. Die Gerade besteht aus Millionen von kleinen Punkten, die untereinander verbunden sind. Auch mein Leben besteht aus Millionen von Sekunden und Minuten, die alle miteinander verbunden sind. Wenn ich über jeden einzelnen Punkt vollkommen verfüge, dann wird die Linie gerade sein.
Mütter füllen die Punkte unseres Lebens mit Liebe und lehren uns, dass wir sie auch mit Liebe füllen können. Und dann werden diese vielen Punkte zu einer Geraden, die für uns geglücktes Leben heißt.
So wünsche ich allen Müttern und mütterlichen Menschen und uns, dass wir die Punkte unseres Lebens mit Liebe füllen können.
Generalvikar Rudolf Bischof
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