Vorarlberger zieht’s nach Wien

„Brain-Drain“: Hunderte übersiedeln
jedes Jahr in die
Bundeshauptstadt. Viele bleiben dort.
Wien. (joh) Wenn von „Migration“ die Rede ist, verbindet man damit Begriffe wie „Ausländer“ und „Zuwanderung“. Dabei greift das viel zu kurz. Immerhin steht das Wort für einen dauerhaften Wohnortwechsel. Und ein solcher kann auch die Abwanderung von Inländern bedeuten. Genau davon ist Vorarlberg betroffen: Besonders nach Wien zieht es immer mehr Alemannen.
Vorarlberg wächst. Und wie: Mit Stichtag 31. März 2016 verzeichnete die Landesstatistik bereits 386.491 Einwohner. So viele also, wie noch vor gar nicht allzu langer Zeit erst für das Jahr 2020 erwartet worden sind. Die Zuwanderung aus Krisenregionen im Mittleren und Nahen Osten hat das Wachstum beschleunigt. Schon bald dürften 400.000 erreicht sein.
Negativer Saldo
Im Schatten dieser Entwicklung gibt es eine, die im Alltag fast unsichtbar ist – aber in gewisser Weise auch ein Problem darstellen kann: Von Vorarlberg gibt es seit Jahren mehr Abwanderung in andere Bundesländer, als Zuwanderung von ebendort. Von 2004 bis 2014 sind immerhin 26.804 Menschen weggezogen, aber nur 23.354 zugezogen. Das ergibt unterm Strich einen negativen Saldo von 3450, um den das Land kleiner geworden ist. Das entspricht beinahe der Einwohnerzahl einer stattlichen Gemeinde wie Schwarzach (3852). Natürlich gibt es Unterschiede: Aus Ober- und Niederösterreich sind 2014 beispielsweise mehr zu- als dorthin abgewandert. Dass es allerdings schon bei Kärnten und der Steiermark umgekehrt war, mag überraschen; immerhin sind das die Länder, aus denen vor 40, 50 Jahren Tausende Arbeitskräfte mit ihren Familienangehörigen gekommen sind, um in der hiesigen Textilindustrie ihr Geld zu verdienen.
Zwei Drittel der innerösterreichischen Wanderungsbewegungen von und nach Vorarlberg laufen mittlerweile jedoch über Tirol und Wien. In die Bundeshauptstadt übersiedelten von 2004 bis 2014 immerhin 8699 Frauen und Männer. Zum Vergleich: Wolfurt hat nicht ganz so viele Einwohner (8346). Im selben Zeitraum von der Bundeshauptstadt nach Vorarlberg gezogen sind nur 5696 Personen. Rein rechnerisch sind also 2993 in der Donaumetropole geblieben.
Studieren als Hauptmotiv
Tatsächlich gibt es in Wien längst eine blühende Alemannen-Szene – mit eigenen Lokalen und einem „Verein der Vorarlberger“. An den Dialekt hat man sich im Übrigen nicht nur in Redaktionen und Vorstandsetagen gewöhnt, sondern vor allem auch auf den Universitäten. Studieren ist schließlich das Hauptmotiv dafür, in die Millionenstadt zu ziehen; wie auch die anschließende Karriere in vielen Fällen ein Grund dafür ist, dann noch länger dort zu bleiben und Wurzeln zu schlagen.
Volkswirte würden dieses Phänomen als „Brain-Drain“ bezeichnen; was so viel bedeutet wie „Abfluss von Intelligenz“. Wobei dieser nicht nur zulasten, sondern zum Teil auch zugunsten Vorarlbergs abläuft – die Fachhochschule in Dornbirn etwa zieht jedes Jahr Hunderte junge Leute aus anderen Ländern an. Und das begrenzt das Problem.

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