„Für Babys brauchst du keine Füße“

Vorarlberg / 16.05.2016 • 21:06 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Magdalena Fleisch mit ihrer Mutter Irene. Foto: VN/Kuster
Magdalena Fleisch mit ihrer Mutter Irene. Foto: VN/Kuster

Als Magdalena Fleisch sieben Jahre alt war, wurde ihr bei einem Verkehrsunfall der rechte Fuß abgerissen.     

Dornbirn. (VN-kum) „Mama, mir tut der Fuß weh“, klagte Magdalena nach der OP im Halbschlaf. Mutter Irene Fleisch tröstete sie: „Das verstehe ich, dein Füßlein ist kaputt.“ Als das siebenjährige Kind wach war, sagte ihm die Mutter die ganze Wahrheit: „Dein Füßlein ist weg.“ Magdalena war ratlos: „Wie soll ich mit einem Fuß gehen?“ Irene beruhigte sie und sagte ihr, dass sie einen künstlichen Fuß bekommen würde. Das Mädchen hörte im Nebenraum ein Baby weinen. Da fragte sie: „Mama, kann ich noch Babys bekommen?“ Die Antwort der Mutter: „Ja sicher Magdalena, für das brauchst du keine Füße.“

Dieser Dialog zwischen Mutter und Tochter fand vor neun Jahren statt – kurz nach dem Verkehrsunfall, bei dem der Siebenjährigen der rechte Fuß abgerissen worden war. In der Folge musste ihr das Bein knapp unter dem Knie amputiert werden. Am Anfang kam das Kind mit der Prothese nicht klar. „Ich habe sie fast ein Jahr lang nicht vertragen und Blasen bekommen. Schon nach ein paar Minuten tat sie mir weh“, erinnert sich Magdalena (heute 16).

Hin und wieder Schmerzen

Inzwischen geht sie schon mehr als die Hälfte ihres Lebens auf einer Prothese. „Man gewöhnt sich daran. Auch heute schmerzt sie noch hin und wieder. Das sind die Momente, in denen es mir stark auffällt, dass ich behindert bin.“ Lange Wege kann Magdalena mit dem künstlichen Bein nicht gehen. „Nach hundert Metern tut mir bereits der Beinstumpf weh.“ Wenn sie die Prothese nicht trägt, ist sie auf Krücken angewiesen. „Mit denen kann ich nicht einmal einen Suppenteller alleine tragen. Da bin ich auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen.“ Magdalena ist ungern von anderen Menschen abhängig. Deshalb schnallt sie sich ihr künstliches Bein so oft wie möglich an.

Dieses bescherte ihr in der Hauptschule den Spitznamen „Holzbein Larry“. Weil sie die Mitschüler mobbten, stürzte sie in eine Krise. „Ich dachte mir, dass es besser gewesen wäre, wenn ich bei dem Unfall gestorben wäre.“ Die gehandicapte Schülerin verstand nicht, warum ihre Klassenkameraden gegen sie waren. „Die wussten nicht, wie schlimm das ist, wenn einem ein Fuß fehlt.“ Erst als ihre Mutter sich beim Klassenvorstand beschwerte, hörten die Hänseleien auf.

Karriere im Blick

Inzwischen besucht die 16-Jährige die Landwirtschaftsschule in Hohenems. An dieser Schule fühlt sie sich wohl. Die Ausbildung zur landwirtschaftlichen Facharbeiterin dient ihr als Grundlage für eine höhere Ausbildung. „Ich möchte Tierärztin werden und mich auf Großtiere spezialisieren.“ Diesen Berufswunsch äußerte sie schon im Kindesalter, „ich habe mich immer schon extrem für Tiere interessiert.“ Magdalena arbeitet ehrgeizig an ihren Plänen. Sie will beweisen, dass sie es trotz Behinderung schaffen kann.

In der jungen, gehandicapten Frau steckt noch immer das mutige und abenteuerlustige Kind, das sie einst war und das mit Vorliebe auf Bäume kletterte. Auch nach dem Unfall bestieg sie wieder Bäume. „Das zu schaffen, war mir wichtig.“ Vom Sprungturm im Schwimmbad springt sie auch gerne. Und mit ihrer Stute Elske reitet sie regelmäßig aus. Sogar einen Tanzkurs hat die Dornbirnerin kürzlich absolviert. „Und den Kutschenschein habe ich auch gemacht. Jetzt kann ich Ein- und Zweispänner fahren“, erzählt Magdalena stolz.

Am liebsten fünf Kinder

Der Teenager schaut auf das künstliche Bein hinunter. Die Euphorie weicht plötzlich der Ernüchterung. „Man ist immer eingeschränkt. Es gibt nur Nachteile, wenn man behindert ist. Aber nur die Starken kommen durch“, will sich die junge Frau nicht unterkriegen lassen. Schließlich gilt es, Lebensträume zu verwirklichen. „Ich möchte beides – Beruf und Familie. Am liebsten wären mir fünf Kinder.“   

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