Kaum zu erfüllen
Das dürfte anstrengend werden. Für die einen soll er wieder mit Leben erfüllen, was als Sozialdemokratie einst Menschen Hoffnung gab. Den anderen scheint er als Türöffner ins Rechtsaußen. Er bringt Wirtschaftskompetenz mit, jubeln manche, und das Wort „endlich“ schreiben sie mit dicken Lettern an die Wand. Andere raunen einander Märchenhaftes über seine soziale Kompetenz ins Ohr.
Nur er selbst blieb bis gestern unsichtbar. Christian Kern war im stillen Kämmerlein wohl noch mit der Anprobe beschäftigt. So wie die Päpste nach ihrer Wahl in der „Kammer der Tränen“ zum ersten Mal die weiße Soutane überstreifen. In Kerns Fall muss es wohl ein Superman-Kostüm sein. Sonst wird er den Erwartungen nicht gerecht.
Ach, das Land quillt ja über vor Erwartungen. Vor Tagen noch kollektive Depression, jetzt ein Übermaß an Hoffnungen, Sehnsüchten und Wünschen. Er soll das System zerbrechen, das Österreich zwar über weite Teile der Zweiten Republik hinweg getragen hat, das wir aber nun partout wie einen abgetragenen Hut an den Nagel hängen wollen. Und er soll uns unsere Ängste nehmen, das vor allem. Denn wir sind ein ängstliches Volk geworden. Ängstlich und beliebig. Wie wankelmütige Fußballfans, deren ganze Hoffnung auf dem Star lastet, der eben aufläuft. Wenn’s der nicht dreht, dann … wechseln wir halt das Fanlager. So einfach ist das heute. Die Halbwertszeit von Überzeugungen wird in Minuten gemessen. Es könnte einem grad ein bisserl schlecht werden.
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