Mehrere Buben missbraucht

Mutmaßlicher 17-jähriger Täter hat selbst lange im Vorarlberger Kinderdorf gelebt.
Bregenz. (VN-mm) Ein Missbrauchsfall erschüttert das Vorarlberger Kinderdorf. Ein 17-Jähriger, der selbst seit einigen Jahren in dieser Einrichtung lebt, soll sich an mehreren, mindestens aber drei jüngeren Buben vergangen haben. Dass die Vorkommnisse aufgedeckt und gestoppt werden konnten, ist laut Geschäftsführer Christoph Hackspiel den Betroffenen zu verdanken, die sich zwei Kinderdorfmüttern anvertraut haben. Die sexuellen Übergriffe liegen bereits einige Wochen zurück. Die Kinderdorfleitung wurde am Mittwochabend davon in Kenntnis gesetzt. Der mutmaßliche Täter ist in Polizeigewahrsam. Die Buben werden von geschulten Mitarbeitern des Kinderdorfes begleitet. Bei den Verantwortlichen herrscht indes ein „Gefühl von ganz großem Bedauern, weil uns das Wichtigste, nämlich den Kinderschutz zu gewährleisten, nicht immer gelingt“.
Die Stimme von Christoph Hackspiel klingt brüchig. Er spricht leise. Es fällt ihm sichtlich schwer, das Unfassbare in Worte zu kleiden. Da tue es gut zu spüren, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammenstehen und trotz allem eine gute Atmosphäre herrsche. Der mutmaßliche Täter war bisher nicht auffällig, sagte Hackspiel im VN-Gespräch. Auch die genauen Umstände und die Anzahl der Übergriffe müssen erst geklärt werden. Beides ist derzeit Gegenstand polizeilicher Ermittlungen. „Nach der sofortigen Abstimmung mit den zuständigen Fachstellen haben wir noch am gleichen Abend die Polizei um weitere Erhebungen gebeten“, bestätigt der Geschäftsführer des Kinderdorfs. Soweit bekannt sei, habe der verdächtige Jugendliche den Kindern Geschenke versprochen. Mehr an Details wollen weder Polizei noch Hackspiel zum Schutz der Opfer öffentlich machen. „Derzeit gilt unsere Sorge in erster Linie den betroffenen Buben.“
Maßnahmen werden geprüft
In den vergangenen Jahren sei sehr viel Aufklärungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen dahingehend geleistet worden, sie darin zu stärken, Nein sagen und Belastendes ansprechen zu können. „Sonst wäre wohl auch dieser Fall noch lange im Dunkeln gelegen“, vermutet Hackspiel. Ebenso würden die Kinderschutzstandards regelmäßig mit der Fachaufsicht des Landes, dem Kinder- und Jugendanwalt sowie der Kinderschutzgruppe weiterentwickelt. „Trotzdem müssen wir zu unserem tiefen Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass es keinen hundertprozentigen Schutz vor Übergriffen gibt“, will Christoph Hackspiel nichts besserreden. Dennoch sollen die bestehenden Maßnahmen genauestens auf ihre Wirksamkeit überprüft und Möglichkeiten der Weiterentwicklung sondiert werden. Gleichzeitig steht Hackspiel dazu, dass Kinder auch Freiräume brauchen. Im Vorarlberger Kinderdorf leben rund 70 Kinder. Tausende weitere werden in Familien, Wohngemeinschaften und ambulant betreut.
Krisenmanagement
Auch Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch, der sich im Urlaub befindet, hat am Mittwochabend noch lange mit Christoph Hackspiel gesprochen. Gemeinsam wurde ein entsprechendes Krisenmanagement in die Wege geleitet. „Jetzt ist es wichtig, für die Opfer, aber auch den Täter die richtigen Maßnahmen zu treffen“, sagte Rauch. Dies sei bereits geschehen, denn es gehe in weiterer Folge auch um das Vertrauen in die Einrichtung. Eine konkrete Einschätzung vor Ort soll kommende Woche folgen. Das Fachgremium Kinderschutz wird sich ebenfalls gründlich mit dem vermuteten Missbrauch auseinandersetzen.
Wir haben die Polizei sofort um weitere Erhebungen gebeten.
Christoph Hackspiel

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