Straches Grenzen
Es kommt erstens anders als man zweitens denkt. Dass die Freiheitlichen derzeit vorne liegen, war vor zwei Jahren noch nicht abzusehen; bei der damaligen EU-Wahl erreichten sie gerade einmal 19,7 Prozent. Und dass Norbert Hofer um ein Haar Bundespräsident geworden wäre, hatte noch vor zwei Monaten kaum jemand erwarten können: Daran sieht man, wie schnell Höhenflüge zustande kommen können. Von heute auf morgen, quasi. Genauso schnell können sie aber auch wieder vorbei sein. Folglich ist es möglich, aber nicht sicher, dass Heinz-Christian Strache demnächst Bundeskanzler wird.
Zumal die Freiheitlichen eine große Schwäche haben: Sie werden nicht gewählt, weil sie so attraktiv wären; sie profitieren vielmehr davon, dass sie aus Protest über ihre Mitbewerber und die bestehenden Verhältnisse unterstützt werden. Und das ist keine Grundlage für einen dauerhaften Erfolg: Einerseits kann man nicht davon ausgehen, dass sich der schleichende Niedergang von ÖVP und SPÖ in der bisherigen Geschwindigkeit fortsetzt; im Gegenteil, besonders die Sozialdemokraten könnten sich unter ihrem neuen Vorsitzenden Christian Kern zumindest vorübergehend erholen. Andererseits werden Strache und Co. auch selbst einmal liefern müssen; spätestens an dem Tag, an dem sie Verantwortung tragen, müssten sie Konzepte vorlegen, die sie bisher nicht entwickelt haben.
Ob dieser Übergang von Radikalopposition zu Regierungsfunktion mit dem FPÖ-Chef überhaupt möglich ist, ist allerdings so oder so fraglich. Zu viele Wähler scheinen seine derzeitige Rolle zu schätzen, zu wenige würden ihn gerne in einer staatstragenden sehen. Jedenfalls gehört er zu den Politikern der Republik, bei denen das Misstrauen, das ihnen entgegengebracht wird, überwiegt. So sind seine Werte bei den Wiener Gemeinderatswahlen im vergangenen Oktober ab dem Zeitpunkt gesunken, ab dem er sich allen Ernstes als künftiger Bürgermeister darstellte.
Durch und über Strache wird in diesem Land ausschließlich Unzufriedenheit artikuliert. Das aber wirklich: Auf seiner Facebook-Seite wurden zuletzt etwa Drohungen gegen den künftigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen gepostet, die das Innenministerium dazu zwangen, einen erhöhten Personenschutz für den ehemaligen Grünen-Politiker zu gewährleisten. Das ist besorgniserregend; und für Strache selbst verhängnisvoll: Als Kanzlerkandidat wird er damit nämlich endgültig disqualifiziert.
Wenig überraschend wird da und dort denn auch schon darüber spekuliert, dass Norbert Hofer die Partei in die nächsten Nationalratswahlen führen könnte. Was dafür sprechen würde: Er wäre nicht nur Wolf, sondern einer im Schafspelz. Was dagegen spricht: In der Sache selbst würde sich nichts ändern.
Ob der Übergang von Radikalopposition zu Regierungsfunktion mit dem FPÖ-Chef überhaupt möglich ist, ist fraglich.
johannes.huber@vorarlbergernachrichten.at
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