„Mein Schicksal war vorbestimmt“

Kira Grünberg, querschnittsgelähmte Ex-Stabhochspringerin, ist ein Vorbild geworden.
Widnau. Mit Mitleid braucht ihr keiner kommen. „Fragen, die in diese Richtung gehen, mag ich nicht.“ Rutscht einem das Wort „behindert“ raus, muss man sich andererseits nicht auf die Lippen beißen. Verbogene Begriffe aus dem Fundus der sogenannten politischen Korrektheit braucht Kira Grünberg ebenso wenig.
Kira Grünberg: Das ist jene ehemalige Stabhochspringerin, die seit dem 30. Juli 2015 die Herzen der Österreicher berührt. An diesem Tag fiel die Tirolerin nach einem fehlgeschlagenen Versuch derart unglücklich in den Einstichkasten, dass sie sich den fünften Halswirbel brach. Sie ist seitdem querschnittsgelähmt.
Ihr Drama hat die 23-jährige zu einer Berühmtheit im In- und Ausland gemacht. „Natürlich ist es irgendwie traurig, dass dir etwas Schreckliches zu so viel Bekanntheit verhilft. Lieber hätte ich das als Sportlerin geschafft. Aber man hat mir viel geholfen. Ich habe viele Spenden bekommen, konnte dadurch mein Haus umbauen.“
Sie macht Mut
Die Siege in Kiras Leben sind andere geworden. „Derzeit kämpfe ich darum, ohne fremde Hilfe vom Rollstuhl ins Bett zu kommen. Es schaut schon gut aus“, erzählt die ehemalige Spitzensportlerin im VN-Interview. Vor Kurzem weilte sie auf Einladung von Ski-Weltcupsieger Marc Girardelli in Widnau. Der organisierte im Hotel „Paul’s“ ein Galadinner, dessen Reinerlös er Grünberg zukommen ließ. Das Leben ist für die Kematerin seit diesem 30. Juli 2015 viel beschwerlicher geworden, jedoch auch viel abwechslungsreicher. Überall ist sie unterwegs, tritt auf, macht anderen Menschen mit ähnlichen Schicksalen Mut.
Kira wusste es sofort
Gerne spricht sie über das, was sie seit ihrer Lähmung wieder tun kann, bereitwillig aber auch darüber, was sie nicht mehr kann. „Selber in der Früh aufstehen, alle Handgriffe beim Laptop, Kochen, Anziehen – das kann ich nicht. Aber ich kann mich selber abduschen, Zähneputzen, schminken und mit dem Rollstuhl fahren. Wenn’s nicht nach oben geht.“
Kira Grünberg hat nach dem Unfall sofort gewusst, dass etwas Schlimmes passiert ist. „Ich war ja bei Bewusstsein. Mir war gleich klar: Ab jetzt wird mein Leben anders.“ Die Ärzte im Krankenhaus schenkten ihr sofort reinen Wein ein. Doch sie, die Analytikerin, die irgendwann einmal ihr Pharmaziestudium beenden möchte, ließ sich nicht ins große schwarze Loch ziehen. Sie nahm jede kleine positive Entwicklung an und erzählt vom Lachen, das es jeden Tag mit dem Spitalspersonal gegeben habe.
Und die Phasen des Elends? „Natürlich sind die auch jetzt noch da. So wie jeder Mensch einmal einen schlechten Tag hat. Ich weine dann auch gelegentlich. Aber so eine Phase geht höchstens zehn Minuten. Dann ist es vorbei.“
Kinderwunsch bleibt
Kira tröstet sich damit, dass ihr Unfall Schicksal war. „Das Schicksal kannst du nicht beeinflussen. Das, was mir passiert ist, war vorbestimmt. Es hätte eine Woche früher, oder eine Woche später passieren können. Aber passieren musste es. Diese Erkenntnis erspart mir viele grausame Fragen. Fragen, die mich zerfressen würden.“
Kira Grünberg hat gelernt, auch als auf Hilfe angewiesener Mensch selbstbestimmt und mit eigenem Willen zu bleiben. „Dazu gehört, meinen Helferinnen zu sagen, was mir passt und nicht passt. Die gehen ja auch gerne darauf ein.“ Dass die Medizin ihr eines Tages die Lähmung wird nehmen können, glaubt die 23-Jährige nicht. „Die Medizin wird Querschnittslähmung eines Tages heilen können. Aber für mich wird das zu spät kommen.“
Sehr wohl glaubt Kira Grünberg an die Möglichkeit, dass sie eines Tages Kinder wird haben können. „Aus medizinischer Sicht spricht nichts dagegen. Ich werd‘ mich halt jetzt mit einem zufrieden geben. Ursprünglich hätte ich zwei wollen.“
Zur Person
Kira Grünberg
Kira Grünberg ist 23 Jahre alt und lebt gemeinsam mit ihren Eltern in Kematen bei Innsbruck. Sie war bis vor ihrem Unfall am 30. Juli 2015 die beste Stabhochspringerin Österreichs und hält jetzt noch mit 4,45 Metern den nationalen Rekord.
Kira Grünberg ist heute um 13 Uhr bei der „Schau“, Halle 4/5 („Mein Sprung in ein neues Leben“) und um
19 Uhr in der Alten Seifenfabrik in Lauterach im Rahmen der Gesprächsreihe „GesprächsKultur“ zu Gast.
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