„Heute noch wirst Du mit mir im Paradies sein“

Ein Gott, der sich kreuzigen lässt? Karfreitag, das ist ein Paukenschlag.
Schwarzach. ™ Jeden Freitag um drei schwingt in den Kirchtürmen die jeweils größte Glocke an und erinnert mit ihrem sonoren, ruhigen Klang in „G“ an die Todesstunde des Jesus von Nazareth. Nur nicht an seinem eigentlichen Todestag. Am Karfreitag schweigt das Geläute. Bis zur Osternacht ist es, als hielte die Welt den Atem an. Jetzt ziehen Mädchen und Burschen mit hölzernen Ratschen durch die Straßen und rufen die Christen zum Gottesdienst.
Am Karfreitag wurde für die Frauen und Männer, die Jesus gefolgt waren, ein Albtraum Wirklichkeit. Einen schlagenderen Beweis dafür, dass alles ein Irrtum gewesen sein musste, schien es nicht zu geben: Ihr Anführer war verurteilt und mit 40 Peitschenhieben misshandelt worden. Nun zerrten sie den geschundenen Mann mit einem schweren Balken auf der Schulter zur Hinrichtungsstätte. Wie zum Spott trug ein Soldat das Holztäfelchen vorneweg, auf dem der Grund der Verurteilung geschrieben stand: „INRI“ stand dort zu lesen, was übersetzt heißt „Jesus von Nazareth, König der Juden“. Sie trieben dem vermeintlichen König Nägel durch Handgelenke und Füße und zogen den Körper in die Höhe. Dann war ihre grausige Arbeit vollbracht. Sie mussten nurmehr warten. Irgendwann würde sein Kreislauf kollabieren oder der Verurteilte ersticken.
Jesus ist in seinen letzten Stunden nicht ganz allein. Seine Mutter und wenige Getreue wagen sich vor und schauen ihm beim Sterben zu. Die Evangelien halten die drei Stunden seines Todeskampfes fest. Sie überliefern letzte Worte und Gesten. Sie erzählen von seiner Mutter Maria, die der Gekreuzigte kurz vor seinem Tod einem engen Freund anvertraut. Sie bekunden das unbeirrte Festhalten an seiner Sendung, das sich im Dialog mit dem Verbrecher neben ihm offenbart. In den letzten Zügen verspricht er ihm: „Heute noch wirst Du mit mir im Paradies sein.“ Die Evangelien betonen sein Mitgefühl bis in die letzte Konsequenz, wenn der Gekreuzigte um Vergebung für seine Peiniger bittet: „Vater, verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Und sie berichten vom Augenblick seiner eigenen, bodenlosen Verzweiflung, die ihn schreien lässt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen.“ Diesem Gott übergibt sich der Sterbende der Überlieferung des Evangelisten Lukas gemäß mit dem Satz: „Vater, in Deine Hände lege ich meinen Geist.“ Dann stirbt er.
Erst die Überzeugung, dass der Gekreuzigte nach drei Tagen von den Toten auferstanden ist, wendet das Blatt. Das Kreuz, das für Nicht-Christen ein so missverständliches, nicht nachvollziehbares Zeichen ist, wäre ohne Auferstehung nichts anderes als ein weiterer Beweis menschlicher Grausamkeit und für eine bodenlose Verrücktheit: Ein Gott, der sich kreuzigen lässt? Wie irr ist das denn?
Einen Weg geebnet
Nur im Glauben daran, dass der Ermordete den Tod überwand und damit allen Menschen einen Weg geebnet hat heraus aus dem ewigen Kampf, den das Leben auch bedeutet, folgt auf den Karfreitag der Ostermorgen. Dieser Glaube hat über die Jahrhunderte Musiker, Dichter und Maler inspiriert. Johann Sebastian Bach schuf Johannes- und Matthäus-Passion. Josef Haydn vertonte „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz“. Das Werk wurde am Karfreitag 1787 uraufgeführt. Dieser Glaube hat zum Tode Verurteilte wie den Göfner Provikar Carl Lampert ein kleines Kreuz aus Draht basteln lassen, das ihm unzerstörbare Hoffnung gab. Dieser Glaube ließ den lutherischen Theologen Dietrich Bonhoeffer im Dezember 1944 ein Gedicht schreiben, das in die Zeilen mündet: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 gehängt.
Was am Karfreitag und in der Osternacht geschah, beschäftigt die Menschen bis heute. Oder wie es der emeritierte Professor für Neues Testament in Luzern, Walter Kirchschläger, sagt: „Was an Ostern geschah und was es bedeutet – wir werden nicht fertig, darüber nachzudenken: in unserer Lebenszeit nicht und in der Weltzeit nicht.“
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