Reinhard Haller

Kommentar

Reinhard Haller

Christenverfolgung

Vorarlberg / 19.04.2017 • 19:57 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Hören wir von Christenverfolgung, denken wir zuerst an die junge Kirche, an das alte Rom, an Katakomben und Märtyrer, kurzum, an eine längst vergangene Epoche. Tatsächlich hat es aber in der Geschichte noch nie eine so umfangreiche Unterdrückung und Ermordung von Christen gegeben wie heute – im 21. Jahrhundert.

Christen sind weltweit zur meistverfolgten Gruppe überhaupt geworden. In vielen Staaten werden sie systematisch diskriminiert, an ihrer Religionsausübung gehindert und existenziell ruiniert. Laut dem vom Hilfswerk Open Doors herausgegebenen Weltverfolgungsindex liegt ihre Zahl bei über 200 Millionen. Alle fünf Minuten wird ein Christ wegen seines Glaubens umgebracht. Kirchenbesucher werden mit Arbeitslager und Folter bedroht. Gotteshäuser werden abgerissen und niedergebrannt. Am meisten zu leiden haben Christen unter dem fundamentalistischen Islam, unter antichristlichen Terrorregimen wie in Eritrea oder im Sudan und unter afrikanischen Terrormilizen nach dem Muster des IS. Schweren Repressionen sind Christen aber auch in Indien durch Hindu-Nationalisten, im mehrheitlich buddhistischen Vietnam und mehreren zentralasiatischen Staaten wie Usbekistan ausgesetzt. An der Spitze der Verfolgerstaaten steht Nordkorea, wo die ca. 300.000 Christen nur im Untergrund leben können. Den vorläufigen Tiefpunkt stellen zwei Anschläge in Ägypten auf die Minderheit der koptischen Christen dar, wo am vergangenen Palmsonntag 44 Besucher des Gottesdienstes getötet und weit über 100 schwer verletzt worden sind.

Erschreckend sind aber Gleichgültigkeit, mangelnde Betroffenheit, fehlendes Mitleid, ja völliges Desinteresse der sogenannten zivilisierten Welt. Wo bleiben Aufschrei und Empörung, wo Solidaritätskundgebungen und Proteste, wo UNO-Konferenzen und Wirtschaftssanktionen? Nur wenige Initiativen treten hierzulande für verfolgte Christen ein, hauptsächlich christliche Menschenrechtsorganisationen und auch einige „C-Parteien“. Vom Großteil unserer Gesellschaft wird das Thema tabuisiert.

Bischof Benno Elbs hat in seiner Osterpredigt eindringlich jener ägyptischen Christen gedacht, die heuer kein Osterfest feiern können. Papst Franziskus, diese mutige Lichtgestalt, ruft in seinen Ansprachen immer wieder zu Initiativen für verfolgte Christengemeinschaften auf. Von den vielen Aktivisten und Protesterfahrenen und all jenen, die sich gerne als Humanisten, Intellektuelle oder moralische Instanzen bezeichnen lassen, war und ist kein Wort zu hören.

An der Spitze der Verfolgerstaaten steht Nordkorea, wo die ca. 300.000 Christen nur im Untergrund leben können.

reinhard.haller@vn.at
Univ.-Prof. Prim. Dr. Reinhard Haller ist Psychiater, Psychotherapeut
und Chefarzt des Krankenhauses Maria Ebene.

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