„Wir müssen zurück zu den Wurzeln“

Der grüne Bildungssprecher räumt Fehler seiner Partei ein und ruft zum Kampf auf.
Schwarzach. Harald Walser würde gerne im Nationalrat bleiben. In den Tagen der dramatischen Verhandlungen zur Bildungsreform erlebte er politisch sowohl Highlight wie auch Tiefpunkt.
Wie groß ist die Chance, dass wir Harald Walser weiterhin als umtriebigen Nationalratsabgeordneten und Bildungssprecher der Grünen auch in der nächsten Legislaturperiode erleben werden?
Walser: Ich würde sagen 50:50. Wir erleben bei den Grünen derzeit die schwierigste Phase, seit ich bei dieser Gruppierung bin. Aber es nützt alles nichts. Da müssen wir durch. Kämpfen ist angesagt.
Warum wurden die Grünen im letzten Jahr das Opfer eines Selbstzerstörungstriebs?
Walser: Wir haben niemanden, der Durchgriffsrechte hat, wir haben keinen engen Zirkel, in dem Entscheidungen über grundlegende Dinge getroffen werden. Wir haben vielfach basisdemokratische Strukturen, deren Anwendung zum Beispiel auch bei der Erstellung einer Vorarlberger Landesliste zum Tragen kommt. Auch bei der Bundesliste passiert das auf breiter Funktionärsebene. Wenn dann Querschüsse kommen und wir dabei auf dem falschen Fuß erwischt werden, wir dann auch noch falsche Entscheidungen treffen – dann gerät man bedauerlicherweise in solche Situationen.
Was war eine solche falsche Entscheidung?
Walser: Dass wir die jungen Grünen nicht mehr als Nachwuchsvertretung der Partei anerkannt haben. Das war ein Fehler. Wir hätten mit den Jungen länger diskutieren müssen, und wir hätten aushalten müssen, dass sich inhaltliche Differenzen offenbaren. Man hätte ihnen nicht sofort das Vertretungsrecht für die junge Generation der Grünen entziehen dürfen. Das war ein Fehler.
Peter Pilz wurde für die Grünen zum Spaltpilz. Wie schwer ist es für sie als quasi Restgrüner, sich damit abzufinden und jetzt als Konkurrent auftreten zu müssen?
Walser: Es wird sich auf Dauer zeigen, dass die von Ihnen bezeichneten Restgrünen die Grünen sind. Natürlich tut der Abgang von Peter Pilz weh. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich seine Zurücksetzung beim Bundeskongress für keine gute Wahl gehalten habe. Aber demokratische Entscheidungen sind zu akzeptieren. Ich verlor auch schon einmal eine Abstimmung.
Worauf werden sich die Grünen im kommenden Wahlkampf konzentrieren müssen, um aus dem ganzen Schlamassel noch halbwegs lebend herauszukommen?
Walser: Wir müssen zurück zu den Wurzeln. Wir stehen vor riesigen Herausforderungen in den Bereichen Klimaschutz und Umweltschutz. Das sind die Zukunftsfragen. Wenn wir die nicht lösen, müssen wir über die anderen Dinge gar nicht mehr reden. Da hat Österreich in den letzten 20 Jahren eine fatale Entwicklung gemacht. Wir sind in puncto Klimaschutzziel weit zurückgefallen, sind zu einem Klimasünder geworden. Andere Themen sind Verkehr, leistbare Mieten, Bildung und das Einfordern von Gerechtigkeit.
Wie beurteilen Sie Ihre Bilanz nach neun Jahren Nationalrat?
Walser: Es gibt eine persönliche und eine politische Bilanz. Persönlich habe ich spannende Zeiten erlebt und sehr viele interessante Menschen kennengelernt. Politisch war meine Tätigkeit ein Bohren von sehr harten Brettern. In vielerlei Bereichen durfte ich feststellen, dass sich Hartnäckigkeit und Konsequenz auszahlen und man dann doch einiges durchsetzen kann. Ich denke an die Bildungsreform, an die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und von Justizopfern während der Zeit des Austro-Faschismus. Auch die Unterstützung von Johannes Rauch als Mitglied des Verkehrsausschusses ist gelungen – siehe die Projekte für Vorarlberg im öffentlichen Verkehr.
Was würden Sie als persönlichen Tiefpunkt ihrer Abgeordneten-Tätigkeit bezeichnen?
Walser: Dass mir der eigene Landeshauptmann mitten in den Regierungsverhandlungen bei der Bildungsreform in die Parade fährt. Daran habe ich stark genagt. Es wurde mir auch in den Verhandlungen immer wieder vorgehalten: Nicht einmal dein Landeshauptmann steht bei der Modellregion hinter dir.
Was war Ihr subjektives Highlight?
Walser: Auch da bin ich bei der Bildungsreform. Es ist uns ein guter Abschluss gelungen – nach Wochen zähester Verhandlungen. Noch nie zuvor hatte ich politisch dramatischere Zeiten erlebt.

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