Mutter mit Sehnsucht nach dem Kind

Vorarlberg / 31.10.2017 • 20:26 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Tamara Bickel (im Bild mit Hund Benny) besucht einmal wöchentlich die Gedenkstätte, die sie für ihre verstorbene Tochter Lisa am Ufer der Ach errichtet hat. VN/Steurer, Privat
Tamara Bickel (im Bild mit Hund Benny) besucht einmal wöchentlich die Gedenkstätte, die sie für ihre verstorbene Tochter Lisa am Ufer der Ach errichtet hat. VN/Steurer, Privat

Tamara Bickel verlor vor drei Jahren ihre 15-jährige Tochter Lisa.

Lustenau Der Tod kam schnell. Lisa ertrank in der Bregenzerach, bei den Sandplatten in Lauterach. Bei aller Tragik: Ihre Mama Tamara Bickel ist froh, „dass Lisa gleich bewusstlos wurde und nicht lange leiden musste“. Es wäre für die Mutter schlimmer gewesen, wenn ihr Kind todkrank gewesen wäre und lange dahinsiechen hätte müssen. Die 15-Jährige kam am 23. August 2014 von einem Fotokurs einfach nicht mehr nach Hause. Ihr plötzlicher Tod versetzte Tamara (heute 39) in einen Schockzustand. „Am Anfang konnte ich nicht einmal weinen.“

„Sehnsuchtstage“

Sie war wie versteinert. Aber die Lustenauerin musste funktionieren, weil sie sich um ihre zwei anderen Kinder kümmern musste. „Ich hatte eine Aufgabe. Und das war gut so“, meint sie heute. Aber der Schmerz holt(e) sie immer wieder ein. Tamara lieferte sich der Trauer bedingungslos aus. „Ich brauche sie. Wenn ich weine, fühle ich mich besser.“ „Sehnsuchtstage“ nennt sie die Tage, an denen sie sich nach ihrer verstorbenen Tochter, nach ihrem Lachen, nach ihrer Nähe sehnt. „Dann will ich Lisa in die Arme nehmen. Aber sie ist nicht da und wird nie mehr da sein. Dieses Endgültige ist das Schlimme.“

Tamara ist klar: Diese Sehnsucht nach dem Kind wird sie bis ins Grab begleiten. Die 39-Jährige weiß nicht, ob sie den Schicksalsschlag bewältigen hätte können, „wenn mein Mann und ich das nicht zusammen getragen hätten. Mit André kann ich reden und weinen, wir verstehen uns. Ohne ihn an meiner Seite wüsste ich nicht, wo ich heute wäre.“

Verstanden fühlt sie sich auch in der Selbsthilfegruppe für verwaiste Eltern. „Die Verbundenheit untereinander ist groß. Der Schmerz verbindet.“ Dort hat sie Menschen kennengelernt, die ihr Leben bereichern. Dafür ist sie dankbar. Und dafür, dass sie wieder Glück empfinden kann. „Anfangs dachte ich, dass ich kein glückliches Leben mehr führen kann.“ Aber wenn sie heute ihre Kinder lachen hört, dann wird ihr ganz warm ums Herz. Dann freut sie sich mit ihnen. Dann sind das Glücksmomente für sie. „Wer nie verzweifelt war, bemerkt das Glück oft nicht. Wer nie im Dunkeln saß, beachtet kaum das Licht“, zitiert sie Sätze aus einem Buch und will damit aufzeigen, dass Leid nicht sinnlos ist.

Die Zeit hat ihr geholfen, es zu überwinden. Freilich: „Auf der Seele ist eine Narbe zurückgeblieben. Lisa wird mir immer fehlen.“ Einmal in der Woche geht Tamara an den Ort, wo ihre Tochter starb. Hier, am Ufer der Ach, hat die Mutter eine Gedenkstätte errichtet und Kerzen, Engel, Blumen, ein großes Herz und ein Bild von Lisa aufgestellt. „An diesem Ort kann ich in mich gehen und dem rauschenden Wasser zuhören.“

Hier kann sie auch ungestört ihren Erinnerungen nachhängen. „Lisa war ein verträumtes Mädchen, das Tiere liebte und gerne in der Natur war.“ Tamara blickt auf das Bild ihrer hübschen Tochter. Dann sagt sie: „Es tröstet mich, dass wir gut auseinandergegangen sind. Lisa hat mir zum Abschied einen Kuss gegeben.“