Erfolg ohne Zwangsmitgliedschaft
Zugegeben, die österreichische Sozialpartnerschaft hat nachweislich ihre großen Verdienste. Vor 70 Jahren gegründet, vermochte sie einen Konsens zwischen Gewerkschaft und Wirtschaft herzustellen, was den Aufschwung durch geringstmögliche Streikzeiten begleitete. Außer Arbeit gab es nicht viel zu verteilen, weil es auch nur wenig gab. Das gemeinsame Ziel, Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum bei steigendem Haushaltseinkommen, entsprang ja auch dem damaligen Pioniergeist der Aufbaugenerationen.
Die Leichtigkeit des Erfolgs verleitete aber nur allzu schnell dazu, politische Einflussnahme in den immer tiefer eingefärbten rot-schwarzen Proporzfilz der Regierung zu nehmen. Die Sozialpartnerschaft beeinflusste die Tagespolitik und wurde immer mehr zum Spielball der beiden Großparteien und zum finanziellen Ausgedinge für ausgediente Parteipolitiker. Damit wurde man aber auch auf dem linken und auf dem rechten Auge blind für die tatsächlichen Forderungen der jeweiligen Klientel. Die Gewerkschaft verlor ihre Mitglieder und die Wirtschaft hatte „abgesandelt“. Als aber in den letzten Jahren das Fieber in der rot-schwarzen Koalition immer höher wurde und sich der Brechreiz über das ganze Land stülpte, retteten sich gerade die Protagonisten der Sozialpartnerschaft noch rechtzeitig. Sie verankerten sicherheitshalber die Zwangsmitgliedschaft in der Verfassung und damit auch ihre Eigeninteressen und Machtansprüche.
Kein Wunder also, dass sich die jungen Koalitionsverhandler von dieser alten Schattenregierung wenigstens politisch und die jeweils Betroffenen vom verfassungsmäßig garantierten Zwang befreien wollen. Dazu haben sie bei unseren Nachbarn einfach Erfolgreiches abgeschaut. Nach der Finanzkrise erreichte nämlich Deutschland schon 2011 wieder das Niveau von 2007. Viel schneller als andere Staaten. Autoren einer Studie begründen dies durch die schon in den 80er-Jahren in der freiwilligen Sozialpartnerschaft ausgehandelten Modelle zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Trotz Rückgangs des BIP um mehr als sechs Prozent blieben Massenentlassungen aus. Die freiwillig vereinbarten Arbeitszeitkonten wirkten für die Beschäftigten wie ein Puffer und haben heute die niedrigste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten bewirkt. Globalisierung und Digitalisierung verlangen nach Visionen und Innovationen. Dazu braucht es Freiheit im Denken und Handeln, aber auch in den Institutionen.
„Globalisierung und Digitalisierung verlangen nach Visionen und Innovationen.“
Fritz Amann
fritz.amann@vn.at
Fritz Amann ist Unternehmer und ehemaliger FPÖ-Politiker.