Wenn die inneren Wölfe heulen

Angst ist vom Säuglingsalter an Wegbegleiter.
Bregenz Gründe, um Angst zu empfinden? Da genügt Prof. Helga Kohler-Spiegel ein Blick in die Nachrichten: Massaker in Texas, Terror in Berlin, Einbruchserie im Unterland … Nein, die Feldkircher Psychotherapeutin und -analytikerin kann ihre Patienten schon verstehen, wenn sie sich vor lauter Angst aus dem alltäglichen Leben zurückziehen. Zum Auftakt der dreiteiligen Ökumenischen Gespräche in Bregenz zeigte Kohler-Spiegel eindrücklich auf, was die Angst mit uns macht.
Angst ist jedem Menschen angeboren. Niemand braucht sich dafür zu schämen. Für den US-amerikanischen Forscher Paul Ekman zählt Angst neben Freude, Wut, Ekel, Traurigkeit und Überraschung zu den menschlichen Grundgefühlen. Sie auszudrücken, muss man lernen. Freude fällt leicht, aber mit Angst umzugehen, ist viel schwieriger. Was Angst anrichtet, deutet schon das lateinische Verb „angere“ an: die Kehle zuschnüren, das Herz beklemmen.
Warnsystem
Angst ist kein überflüssiges Übel. Der Mensch braucht sie. „Sie dient als biologisches Warnsystem“, betont Helga Kohler-Spiegel. Schon kleine Kinder machen Angsterfahrungen. Acht Monate alte Säuglinge „fremdeln“. Vierjährige fürchten die Dunkelheit, Fünfjährige den Liebesverlust – zwischen 0 und 10 erlebt der Mensch praktisch alle Ängste, die ihn ein Leben lang begleiten werden.
Was aber, wenn die Angst überhand nimmt? Wenn sie sich zur Panikstörung oder zur Phobie steigert? Dann werden Menschen panisch in Situationen, die eigentlich nicht gefährlich sind: im Fahrstuhl oder im Tunnel. Eine kleine, harmlose Maus löst Herzrasen aus. Der Atem geht schnell, die Muskeln verkrampfen sich … Oder die Therapeutin steht vor einer generalisierten Angststörung. Dann haben anhaltende Sorgen und Ängste, die viele Lebensbereiche umfassen vom Patienten Besitz ergriffen. Er oder sie traut sich buchstäblich nicht mehr aus dem Haus.
Was hilft? Da greift Kohler-Spiegel auf eine alte indianische Geschichte zurück, der zufolge im Leben eines jeden Menschen zwei innere Wölfe ständig miteinander kämpfen. Der eine ist böse. Er arbeitet mit Trennung, Angst, Schuld, Verleugnung, Unterdrückung, Zwietracht, Eifersucht, Neid, Gier, Habsucht, Überheblichkeit, Feindschaft und Hass. Der andere, der gute Wolf nutzt Verbindung, Vertrauen, Offenheit, Liebe, Wohlwollen, Güte, Verständnis, Mitgefühl, Freundschaft, Friede, Rücksicht, Gelassenheit, Wahrhaftigkeit, Hoffnung und Freude. Welcher Wolf gewinnt? Die Geschichte mündet in einer Weisheit: „Der wird siegen, den du am häufigsten fütterst! Darum lebe achtsam und lerne beide Wölfe gut kennen. Und dann wähle jeden Tag von Neuem deinen bevorzugten Wolf!“
Mit anderen Worten: Ob der Mensch ein Glas als halbvoll oder halbleer betrachtet, entscheidet er ganz allein. TM
Ökumenische Gespräche Bregenz 2017
Zwischen Angst und Zuversicht
Den Kopf in den Sand stecken verbessert die Aussicht nicht
Dienstag, 14. November 2017 Armin Thurnher, Chefredakteur des „Falter“: Biedermann und die Brandstifter – Was macht die Angst mit unserer Gesellschaft?
Dienstag, 21. November 2017 Oberkirchenrätin i. R. Dr. Hannelore Reiner, Wien/Timelkamp: Was mich nicht verzweifeln lässt – Strategien gegen die Angst
Ort Evangelische Kreuzkirche am Ölrain, Gemeindesaal
Beginn 19:30 Uhr
Impulsreferate mit anschließender Diskussion
Moderation Thomas Matt
Veranstalter Katholische Kirche in Bregenz und Evangelische Pfarrgemeinde Bregenz in Kooperation mit dem Ökumenischen Bildungswerk Bregenz und den VN
Mehrwissen.vn.at
Ökumenische Gespräche
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