Frieden wachsen lassen

Wieder einmal stehen wir in diesen Wochen in Zeiten, in denen wir um den Frieden Angst haben. An manchen Orten hat man das Gefühl, könnte die Lage jederzeit explodieren. Unmengen von Waffen werden produziert, immer neue Diktatoren wachsen aus dem Boden. So viel Leben wird durch ständig neue Gewalt beendet. So sind wir gerade jetzt wieder einmal aufgerufen für diesen Frieden und das Miteinander das Beste zu tun. Und leider gibt es so viel Unfrieden auch in unserm Alltag.
Eine Geschichte von Marie Luise Dieckman hat mich sehr beeindruckt. Der russische Schriftsteller Marschak beobachtete einmal sechs- bis siebenjährige Kinder beim Spiel. „Was spielt ihr?“, fragte er sie. „Wir spielen Krieg“, antworteten ihm die Kinder. Daraufhin erklärte ihnen der Schriftsteller: „Wie kann man nur Krieg spielen! Ihr wisst doch sicher, wie schlimm Krieg ist. Ihr solltet lieber Frieden spielen.“ „Das ist eine gute Idee“, sagten die Kinder. Dann Schweigen, Beratung, Tuscheln, wieder Schweigen. Da trat ein Kind vor und fragte: „Großväterchen, wie spielt man Frieden?“
Haben wir es gelernt Frieden zu leben? Gott sei Dank gibt es in Europa Frieden. Wir leben vielleicht in einer der längsten Friedensepochen in Europa.
Frieden beginnt immer mit kleinen Schritten.
Der heilige Franz von Sales wurde einmal von einem Studenten gefragt: „Was kann ich für den Frieden tun?“ Franz von Sales gab die verblüffende Antwort: „Schlagen Sie die Tür nicht so laut zu …!“
Friede beginnt im Kleinen und im Alltag.
Friede entsteht durch einander kennenlernen und verstehen.
Am Anfang jeden Miteinanders stand und steht das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen. Friede entsteht, wenn wir die Sprache des andern sprechen und verstehen. Für mich ist dies eine der größten Friedenserrungenschaften in Europa, dass die jungen Menschen so viele andere Sprachen lernen und in einem Austausch oder im Urlaub Land und Kultur anderer schätzen lernen. Aus einer Fremdsprache kann eine Lieblingssprache werden. So wächst Friede.
Friede entstand immer durch klare, gute Grenzen.
Überall, wo wir Grenzen überschreiten, entsteht Unruhe und Kampf. Wo wir unsere Grenzen einhalten und lernen uns abzugrenzen, da wächst der Friede, da wird die Würde des Andern geachtet, da werden Ansichten und Menschen nicht übergangen und überfahren.
Friedensarbeit braucht Zeit und Geduld.
Friede entsteht nicht durch ein plötzliches Wunder. Friede ist ein Weg, so meinte Mahatma Gandhi. Und ein Weg erfordert Zeit und Mühe. Er kann manchmal sehr beschwerlich sein. Nicht immer sehen wir wie er weitergeht.
Friede entsteht durch Vergebung und Versöhnung.
Altlasten lassen das Miteinander nicht zur Ruhe kommen. Durch Vergeben wächst Entlastung, unseren Innräumen wird wieder Freiheit geschenkt. Meine Seele kann wieder atmen. Dadurch kann ich neue Belastungen ertragen und lösen.
Der Friede im Großen und Kleinen ist aber immer zerbrechlich und eine ständige Aufgabe.
Frieden zu schaffen heißt, bei uns selbst anzufangen, Frieden zu machen. Friede fängt in unserm Innern an, Friede fängt im kleinen Kreis an.
So wünsche ich allen gerade jetzt, wenn das Dunkel früher einzieht und länger dauert, Stunden, in denen Friede genährt wird und wir im Frieden zu Hause sein können.

Generalvikar Feldkirch