„Unsere Liebe ist so tief wie das Meer“

Ida und Johann Sinn sind 70 Jahre zusammen.
Dornbirn. In Johanns Leben hat es nur eine Liebe gegeben: Ida. Er lernte sie kennen, nachdem er aus der dreijährigen Kriegsgefangenschaft in Ägypten zurückgekommen war. „Ich mochte sie vom ersten Tag an.“ Auch für Ida (90) ist Johann (93) die erste und einzige große Liebe in ihrem Leben. „Vor Johann habe ich mich bloß ein paar Mal mit einem Lustenauer getroffen.“
Keine bösen Worte
Das Paar pflegte von Anfang an einen respektvollen Umgang miteinander. „Wir haben uns nie mit bösen Worten beschimpft“, erinnert sich keiner der beiden an heftige Streits in ihrem Eheleben. Laut seien bloß die Kinder gewesen. Die Sinns zogen vier auf. Als Ida Mutter wurde, bekam Johann eine noch größere Bedeutung für sie. „Jetzt brauchte ich ihn noch mehr. Jetzt mussten wir uns gegenseitig noch mehr helfen.“
Auch wegen der Erziehung der Kinder kam sich das Paar nicht in die Haare. „Wir haben immer alles miteinander besprochen und dann zusammen entschieden.“ Meinungsverschiedenheiten regelten die beiden so: „Einer erklärte dem anderen, warum er nicht zufrieden ist. Wenn man sich ausspricht, dann funktioniert es.“ Und: „Es müssen beide nachgeben können. Der Gescheitere gibt nach. Einmal war das Johann, einmal ich“, zeigt Ida auf, dass es in einer Beziehung wichtig ist, sein Ego manchmal zurückzustellen.
Seit sie zusammen sind, also seit 70 Jahren, zeigen sie sich durch kleine Gesten ihre Liebe. Johann kauft seiner Ida regelmäßig Blumen, denn er weiß, dass seine Frau eine Blumennärrin ist und er ihr mit einem Blumenstrauß Freude bereiten kann. „Meistens schenke ich meiner Frau Rosen, rote Rosen“, ist ihm für sie nur das Beste gut genug. Ida wiederum bringt ihrem Johann vom Supermarkt immer Schokolade und Obst mit. „Das mag er gern.“
Keine Beziehungskrise
In ihrer Beziehung kriselte es nie, obwohl sie zusammen auch durch Regen gingen. Der Gedanke, auseinanderzugehen, kam bei dem Ehepaar nie auf. „Daran haben wir nicht einmal im Traum gedacht“, sagt Ida, die damit auch ihrem Mann aus dem Herzen spricht.
Je länger die beiden beieinander waren, desto mehr wuchsen sie zusammen. „Unsere Liebe ist so tief wie das Meer“, wird die betagte, aber erstaunlich jung wirkende Frau fast zur Poetin, wenn sie über die Gefühle spricht, die sie heute – nach 70 gemeinsamen Jahren – füreinander empfinden.
„Wir sind wie Kletten. Je länger man zusammen ist, desto mehr klammert man“, gibt Johann zu verstehen, dass sie sich ein Leben ohne einander nicht vorstellen können. Deshalb leiden beide unter Verlustängsten. Ida wird schon unruhig, wenn ihr Mann ein paar Minuten später als gewöhnlich vom täglichen Spaziergang zurückkommt. „Da denke ich mir: ,Hoffentlich ist ihm nichts passiert.‘ Wenn er dann zur Tür hereinkommt, ist das volle Glück da.“
Johann wiederum möchte auch nicht mehr leben, wenn Ida dahinscheidet. „Ein Leben ohne sie halte ich nicht aus. Ich bete dafür, dass ich zuerst sterbe.“ Ida sieht ihren Gefährten innig an. Dann meint sie: „Am liebsten wäre uns, wenn wir miteinander gehen könnten. Man sollte auf einen Schalter drücken können und schwupps, unser beider Licht geht aus.“
„Ich mag alles an ihm“
Aber noch will das rüstige Paar, das im Oktober die Gnadenhochzeit gefeiert hat, nicht von dieser Welt gehen. Zu schön ist das Leben in Gemeinsamkeit. „Am Abend spielen wir Karten. Da verweilen wir stundenlang“, freut die beiden ihr gemeinsames Hobby. Danach gehen sie gemeinsam zu Bett. „Wenn ich nicht einschlafen kann, gibt mir Johann die Hand“ plaudert Ida aus dem Nähkästchen. Aber auch Johann sucht manchmal nächtens die Hand seiner Liebsten. „Dann falle ich schnell in den Schlaf.“ Wenn sie am Morgen aufwachen, vergewissert sich jeder zuerst, ob es dem andern gut geht. Johann schaut seine Frau vielsagend an. „Jetzt messen wir deinen Blutzucker, gell Schatz“, sagt er und holt das Messgerät. Ida lächelt dankbar. Sie würde ihren Johann sofort wieder heiraten. Denn: „Ich mag alles an ihm.“
„Nicht einmal im Traum haben wir daran gedacht, auseinanderzugehen.“