„Astrid Lindgren würde milde lächeln“

Thomas Brezina versteht die Diskussion über das Wort „Neger“ bei Pippi Langstrumpf nicht.
Schwarzach Thomas Brezina hat 550 Kinderbücher geschrieben, sei es Tom Turbo, sei es die Knickerbockerbande. Kürzlich erschien der erste Knickerbocker-Band für Erwachsene. Auch nach 70 Bänden kann er sich an die Anfänge erinnern. Zum Beispiel an das Buch „Bodenseepiraten auf der Spur“…
Brezina … das war Band Nummer fünf!
Sie kennen noch die Reihenfolge aller Bücher?
Brezina Ich kenne nicht alle 70 auswendig. Aber die ersten neun haben in allen Bundesländern gespielt.
Kennen Sie die Schauplätze, über die Sie schreiben? Waren Sie vor dem Buch schon mal am Bodensee?
Brezina Natürlich, ich war vor vielen Jahren öfter in Vorarlberg. Fast alle Schauplätze, die ich beschreibe, habe ich irgendwann schon gesehen.
Auch Canon Island, den Schauplatz Ihres aktuellen Buches?
Brezina (lacht) Nein. Canon Island ist eine Erfindung und besteht aus verschiedenen Dingen, die ich immer schon sehr abenteuerlich und schön fand.
Ist ein Kinderbuchautor weniger angesehen als ein Erwachsenenbuchautor?
Brezina Absolut. Auch das Kinderfernsehen wird als kleiner Bruder des großen Fernsehens belächelt. Aber das ist nur in Mitteleuropa so, in Skandinavien, Italien oder England nicht. Das hat ein bisschen mit dem kulturellen Hochmut zu tun. Aber vor allem damit, dass Kinder hier nicht so als Persönlichkeit respektiert werden. Hier werden sie als Auszubildende gesehen.
Ihre Bücher erscheinen weltweit. Waren Sie schon einmal mit Zensur konfrontiert, etwa in China?
Brezina Überhaupt nicht. Der chinesische Verlag lacht, wenn er so etwas gefragt wird. Von China haben wir im Westen ein total falsches Bild. Sie haben die Originalillustrationen genommen, die Namen Lilo, Axel, Poppi und Dominik sind in Lautsprache übersetzt. Es sind die gleichen Themen.
In Skandinavien wird hingegen diskutiert, ob das Wort „Neger“ aus Pippi-Langstrumpf-Büchern verschwinden soll. Soll es?
Brezina Ja ganz klar. Das ändert überhaupt nichts am Inhalt. Ich verstehe die Diskussion nicht. Dieses Wort kann man nicht mehr benutzen, also ersetzt man es. Es muss ja auch nicht superpolitisch überkorrekt sein, mit einer Riesenerklärung. Ich glaube, Astrid Lindgren hätte darüber milde gelächelt. Ihr ging es darum, eine Geschichte zu erzählen und die Kinder zu erreichen. Punkt.
Warum verstehen Sie die Diskussion nicht?
Brezina Ich muss nicht etwas so belassen, nur weil es früher einmal so gemacht wurde. Und dann muss ich einem Kind erklären, weshalb es früher so war? Geh bitte, die Welt ist eh schon kompliziert genug.
Sie hätten also nichts dagegen, wenn man Ihre Bücher im Nachhinein ändert?
Brezina Das machen wir bereits! Der erste Band der Knickerbockerbande ist 28 Jahre alt und immer wieder verändert worden. Wir können ja Kinder heute nicht mehr in Telefonzellen gehen lassen. Natürlich zieht er das Handy raus. Das muss man ändern, das finde ich auch vollkommen richtig.
Wir möchten nichts verraten, aber das Ende Ihres Buches schreit nach einer Fortsetzung.
Brezina Ich werde ziemlich sicher einen zweiten Teil schreiben. Die Grundgeschichte habe ich schon im Kopf. Wenn alles gut geht, könnte es im nächsten Jahr um die gleiche Zeit erscheinen.
Und wann kommt das Tom-Turbo- Buch für Erwachsene?
Brezina (lacht) Er feiert nächstes Jahr im Herbst seinen 25. Geburtstag. Ich möchte irgendetwas Witziges mit Tom Turbo und der Erwachsenenwelt machen.
Zur Person
Thomas Brezina
Autor, Fernsehmoderator, Drehbuchautor und Produzent. Er schrieb mehr als 550 Bücher, die teilweise in über 35 Sprachen übersetzt wurden. Über 40 Millionen verkaufte Bücher.
Geboren 30. Jänner 1963
Wohnort Wien und London
Familie Verheiratet mit Ivo
Erfahren Sie auf VN.at in der Langfassung die Herausforderung beim Umstieg auf Erwachsenenbücher, warum Brezina gut gelaunt ist und was fast aus Lilo geworden wäre.