Gefühl der Freiheit

Andreas Wassner lässt den kleinen Prinzen erwachsen werden.
HARD Mit Vollgas durchs Leben hetzen. Immer schneller, immer mehr. Das war einmal Andreas Wassners Devise. Erst als er ins dritte Burnout raste, zog er die Notbremse und erfüllte sich seinen Jugendtraum: Er ging zur See. Es war beinahe zu spät.
Weil die Eltern mehrmals umzogen, musste sich Andreas – er ist das älteste von sieben Kindern – schon früh immer wieder neuen Situationen anpassen, insbesondere in den Schulen, die er besuchte. München, Hörbranz und Bregenz waren die Stationen seiner Kindheit.
Mit 16 wollte er das Gymnasium schmeißen, entschloss sich dann aber, nur zu pausieren. Er reiste in die USA, kehrte ein Jahr später mit einem High-School-Diplom nach Bregenz zurück, machte die Matura und ging dann nach Wien, um Betriebswirtschaft zu studieren.
Während des Studiums begann Andreas als Eventmanager mit eigener Agentur zu arbeiten. Über 300 Arbeitsstunden im Monat, kombiniert mit Unmengen von Kaffee, Zigaretten und Alkohol, trieben ihn ins erste Burn-out. Er machte weiter wie gewohnt, bis zum nächsten Zusammenbruch. Erst als sich das dritte Burn-out ankündigte, kam er zur Besinnung. Er gab die Event-Agentur auf und heuerte in Südfrankreich als Matrose auf einem Segelschiff an. Nach der Ausbildung zum Kapitän steuerte er selbst Segeljachten durch das Mittelmeer und die Karibik. Insgesamt war Andreas drei Jahre auf See. „Ich habe in dieser Zeit ein unglaubliches Gefühl der Freiheit ausgekostet“, zieht er Bilanz.
Die Traumfrau
Am Abend des 4. Juli 2011 landete Andreas nach einem Spaziergang am Bregenzer Seeufer in der Beachbar. „Dort sah ich Susanne und verliebte mich sofort in sie.“ Auch für Susanne Marosch, Obfrau vom Verein „Geben für Leben“, sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen.
Damals hätte Andreas noch ein halbes Jahr zur See fahren sollen. Er entschied sich jedoch, hier zu bleiben: „Ich wäre der dümmste Mann der Welt gewesen, hätte ich meine Traumfrau allein gelassen.“ Das Paar lebt mittlerweile, zusammen mit Hund Happy sowie den Katzen Adonis, Venus und Spirit, in einem schmucken Einfamilienhaus in Hard.
Schwierig war es für Andreas, nach seiner Rückkehr nach Vorarlberg einen Job zu finden: „Ich galt nämlich als Aussteiger, dabei war ich ein Einsteiger ins Leben.“ Die Arbeitslosigkeit trieb den Stresspegel nach oben. Das führte zum ersten Multiple-Sklerose-Schub. Diagnostiziert wurde die neurologische Autoimmunerkrankung bereits 2003. Andreas war überzeugt, dass sie bei ihm nicht ausbrechen werde. Doch 2011 passierte es: Typische Symptome wie Sensibilitätsstörungen, Koordinationsschwierigkeiten und Gangunsicherheit machten stationäre Spitalsaufenthalte notwendig. „Am Anfang war das heftig“, erinnert sich Andreas, „doch dann habe ich die Krankheit angenommen und durch sie gelernt, langsamer, bewusster, bedachter zu leben.“
Der Arbeitslosigkeit entkam er, indem er das nächstbeste Jobangebot annahm: „Ich habe für einen Pulverbeschichter Schienen aufgehängt.“ Nach neun Monaten hatte er genug. Er machte sich selbstständig und gründete EsMachtSinn, ein Unternehmen, das soziales Teambildung organisiert. 2014 bekam Andreas von Integra die Leitung eines Jugendprojekts. Er half jungen Menschen, eine geeignete Ausbildung zu finden. Seit Anfang Juli dieses Jahres ist er bei „Geben für Leben“, dem Verein, der Stammzellenspender für an Leukämie erkrankte Menschen sucht, als Projektmanager angestellt.
Der kleine Prinz
2014 fiel ihm das Buch „Der kleine Prinz“ in die Hände. Beim Lesen des Märchens von Antoine de Saint-Exupéry, das ihn in seiner Kindheit begleitet hatte, kam ihm die Idee, eine Fortsetzung zu schreiben. „Denn viele Fragen sind offen geblieben. Etwa: Was ist aus dem kleinen Prinzen geworden, nachdem er seine Hülle in der Wüste zurückgelassen hatte?“
Nachdem das Urheberrecht 2013 ausgelaufen ist, machte sich Andreas an die Arbeit. Er ließ den kleinen Prinzen als 16-Jährigen auf die Erde zurückkehren, um ihn auf jene offenen Fragen Antworten zu finden. „Vor allem will der kleine Prinz mehr über die seltsamen großen Leute wissen, die gar nichts mehr verstehen.“ Zu diesen seltsamen großen Leuten habe ja auch er selbst fast gezählt.
Von der Idee bis zum Druck des Buches „Der kleine Prinz wird erwachsen“, sind fünf Jahre vergangen. „Die behandelten Themen Erziehung, Schule, Konsum, Gefühle, Umwelt, Alter und Tod betreffen jeden“, erklärt der Autor. „In erster Linie dient der kleine Prinz jedoch als Sprachrohr für die Jugendlichen.“ Das Buch soll auch zeigen, wie wichtig Liebe und Dankbarkeit, aber auch schwierige Lebensphasen sind. „Ohne meine eigenen zu durchleben, hätte ich es niemals schreiben können“, stellt Andreas klar. Und der kleine Prinz könnte wohl nie erwachsen werden.
Zur Person
Andreas Wassner
Geboren 3. Dezember 1971
Wohnort Hard
Laufbahn BWL-Studium, Event-Manager, Skipper, Bereichsleiter Integra, Projektmanager „Geben für Leben“
Familie Lebt mit Susanne Marosch
Buch Der kleine Prinz wird erwachsen, Bucher Verlag