Neutralitätsfrage
Opposition kritisiert Sitzungsführung des Landtagspräsidenten.
Bregenz Was darf ein Landtagspräsident, was darf er nicht? Darüber stritt am Mittwochabend auf der Landtagssitzung die ÖVP mit den anderen Parteien. Wie die VN berichteten, meldete sich am Ende der Sitzung Landtagspräsident Harald Sonderegger (ÖVP) zu Wort. Grund war ein Facebook-Posting der SPÖ. Die Sozialdemokraten bildeten vier ÖVP-Abgeordnete ab, mit der Erklärung, dass diese Abgeordneten gegen die Einführung der Ehe für Homosexuelle gestimmt haben. Beim Bild von ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück stand etwa: „Roland trägt dazu bei, dass viele Menschen diskriminiert werden. Sei nicht wie Roland!“
Für die SPÖ lediglich eine Art, das Abstimmungsverhalten zu veröffentlichen. Für die ÖVP ein Fall von Dirty Campaigning nach dem Vorbild Tal Silbersteins. So ähnlich sah es auch Sonderegger. Zumindest erklärte er am Ende der Sitzung, diese Aktion sei der Würde des Landtags nicht zuträglich, weshalb er die Klubobleute am Montag in sein Büro einlade, um darüber zu diskutieren. Worauf sich SPÖ-Parteichefin Gabi Sprickler-Falschlunger beschwerte, Sonderegger überschreite politisch motiviert seine Kompetenzen, die SPÖ werde seiner Einladung sicher nicht folgen. Der Eklat ging sogar so weit, dass die ÖVP an der Einstandsfeier der neuen SPÖ-Abgeordneten Manuela Auer nicht teilnahm. Man wolle nicht mit der SPÖ an einem Tisch sitzen, hieß es.
Nachträgliche Ordnungsrufe
Rechtlich dürfte Sonderegger seine Kompetenzen nicht überschritten haben, beurteilt der Verfassungsexperte und ehemalige Landtagsdirektor Peter Bußjäger: „Der Präsident hat die Aufgabe, auf die Würde des Landtags zu achten. Wenn so ein Posting im Zuge einer Sitzung geschieht, hängt das mit dem Landtag zusammen.“ Doch die Diskussion hat sich längst ausgeweitet. Die anderen Parteien bemängeln Sondereggers Neutralität. So habe er auf derselben Landtagssitzung auf Zwischenrufe aus ÖVP-Reihen nicht reagiert. Rufe wie „Du Bauer“ und „Hast du Drogen genommen“ seien nicht sanktioniert worden. Sonderegger entgegnet: „Von unserer Position hört man Zwischenrufe manchmal einfach nicht.“ Rechtlich gäbe es sogar die Möglichkeit, am Ende einer Sitzung oder zu Beginn der nächsten nachträglich einen Ordnungsruf zu erteilen.
Ob zukünftig mehr Ordnungsrufe erteilt werden, könnte am Montag ebenfalls Thema sein. Sonderegger selbst möchte nämlich den Umgang miteinander besprechen. Wer der Einladung folgt, steht noch nicht fest. Dass die SPÖ nicht teilnimmt, ist klar. FPÖ-Klubobmann Daniel Allgäuer wartete noch auf den fixen Termin. Falls er dabei sei, möchte er Sondereggers Neutralität thematisieren. Grünen-Klubchef Adi Gross überlegt noch: „Falls ich dabei bin, will ich über die Rolle des Präsidenten sprechen.“ Auch bei der neutralen Sitzungsführung gebe es Verbesserungspotenzial, sagt er. Sabine Scheffknecht von den Neos hat zu besagtem Zeitpunkt keine Zeit, hat aber bereits vor zwei Wochen um so ein Gespräch angesucht: „Manchmal geht es im Landtag echt rund. So ein Gespräch ist längst fällig.“ VN-mip